Dienstag, 13. Dezember 2011

Ein Ort für bewegte Bürger


Der Volksentscheid hat ergeben: Das Land Baden-Württemberg soll nicht aus der Finanzierung des Großbauprojektes Stuttgart 21 aussteigen. Für die Bahn bedeutet das der Startschuss, mit dem Projekt richtig loszulegen. Viele Gegner fassen dies als Legitimation für den Bau des Bahnhofs auf, auch wenn seine Finanzierung noch nicht geklärt ist. Andere wollen bis aufs Letzte Park und Bahnhof verteidigen. Währenddessen wird das neue Stuttgart geplant. Vor lauter Bahnhof hat keiner bemerkt, dass jetzt schon ganze Häuserblöcke wie im Gerberviertel abgerissen werden, um Shoppingcenter und Büroleerstand hinzuklotzen..Das Gebiet, auf dem heute noch Gleise liegen, wird neu geplant und keiner interessiert sich so richtig dafür. Wenn das neu gefundene politische Bewusstsein in Radikalisierung oder Rückzug verläuft, haben wir nichts gewonnen.



Plattform für Aktive

Es gibt auch einen dritten Weg: Unsere Stadt braucht eine Bürgerbewegung, die sich jenseits der Bahnhofsfrage für eine bürgerfreundliche Stadtentwicklung engagiert. Und diese Bewegung muss offen und sichtbar sein. Sie braucht einen Ort, der als Anlaufstelle und Dialogzentrum für Bürger dient, die die Zukunft ihrer Stadt nicht den Großinvestoren überlassen wollen. Ein solchen Ort gibt es schon, doch der steht auf verlorenem Boden: „Unser Pavillon“ steht derzeit dort, wo ab Januar die Bagger rollen werden. Der containerartige Bau dient als Informations- und Ausstellungsplattform dieser neuen Bürgerbewegung und ist nicht nur Anlaufstelle für Aktivisten und Künstler, sondern auch interessierte Passanten. Bislang wurde der von Stadt und Land nur geduldete Pavillon mit viel persönlichen Engagement und Herzblut von ein paar Leuten ehrenamtlich betrieben. Doch um den Pavillon an einem neuen Ort auf einer soliden, legalen Basis weiter zu betreiben, bedarf es der weiteren Unterstützung von uns allen. Dazu sollen auch Gespräche mit der Stadt über finanzielle Unterstützung und einen geeigneten Standort geführt werden. Das Team vom Pavillon sucht deshalb engagierte Leute, die sich an der Weiterentwicklung des Pavillonkonzepts beteiligen wollen.



Frische Ideen braucht das Land
Ich persönlich würde mir ja wünschen, wenn insbesondere junge Leute dem Aufruf folgen würden. Sie sind es, die die Früchte ihrer Arbeit ernten können, denn es handelt sich um langfristige Prozesse. Sie müssen neue Wege finden, wie Bürger in die Stadtentwicklung besser integriert werden können. Und dazu brauchen wir frische Ideen und die Bereitschaft, das Gewohnte auf den Kopf zu stellen und unkonventionelle Lösungen zu suchen. Wenn wir uns auf die Ideen der Politik verlassen, haben wir nichts dazu gelernt. Als engagierter Bürger reicht es nicht, alle paar Jahre ein Kreuzchen zum machen. Sonst kommt das nächste Stuttgart 21 bestimmt.



Noch ein Hinweis: Es eilt! Wenn ihr Interesse habt, dann meldet euch so schnell wie möglich beim Pavillon:










Noch ein paar Infos rund ums Thema:

  • Eine interessante Bürgerbewegung in Stuttgart nennt sich „Meisterbürger“. Ein Bürgernetzwerk, dass sich zum Ziel setzt mitzuregieren, anstatt regiert zu werden.
    http://meisterbuerger.org/

  • Hier informiert die Stadt darüber, wo gerade gebaut wird:
    http://stuttgart-baut.de/

  • Das größte städtebauliche Projekt im Zuge von Stuttgart 21 ist das Rosensteinviertel. Auf der Webseite steht zu oberst: „Wir gestalten unsere Stadt von morgen“. Derzeit befindet sich das Projekt in der „Inspirationsphase“. Diesen Mittwoch, dem 14. Dezember, startet eine Veranstaltungsreihe bei der es die Möglichkeit zur Diskussion geben soll. Es lohnt sich den vorgesehenen Beteiligungsprozess genau unter die Lupe zu nehmen.
    http://www.rosenstein-stuttgart.de/

  • Das passiert, wenn Investoren die Stadt gestalten:
    http://www.das-gerber.de/


Hier der Aufruf von der Facebookseite von „Unser Pavillon“:
https://www.facebook.com/unser.pavillon

Aufruf zur Mitwirkung


Die junge Bürgerbewegung in Stuttgart hat keinen Grund zur Resignation, sie muss jetzt mit frischer Kraft weitergehen, dazu haben wir einen Auftrag und eine historische Verpflichtung! Wir wissen, dass es um mehr als einen Bahnhof geht und daher haben wir als Bürgerbewegung, die knapp die Hälfte der Stuttgarter Bevölkerung vertritt, einen legitimen Anspruch auf eine dauerhafte, prominente Präsenz im öffentlichen Raum.


Lasst uns diese Chance nutzen und ein starkes Projekt mit unserer geballten Kompetenz initiieren: Aus dem Projekt Unser Pavillon können wir ein gemeinsames, längerfristiges und finanziertes Projekt heraus entwickeln! Das geht jedoch nur, wenn sich genügend Menschen zusammentun und ihre Kräfte bündeln.


Daher unsere Frage: Wer kann sich vorstellen bei einem zukünftigen Projekt in Anknüpfung an das aktuelle Pavillon-Projekt mit einem neuen, gemeinsam erarbeiteten Konzept aktiv dabei zu sein?




Und noch zu guter Letzt: Das Hemdchen, das ich auf dem Bild trage, hat meine Freundin, die Künstlerin Karin Rehm erfunden. Ich werde es bald zum Kauf in ähnlicher Form feilbieten. Karin hat mir auch dabei geholfen, diesen Text zu formulieren. Sie ist Urpavillonistin, hat ihn mit eigenen Händen mit aufgebaut und unzählige Mal dort „Dienst geschoben“.





Montag, 28. November 2011

Weiterärgern und fertig bauen.



Als gute Demokratin, so habe ich  vielfach gehört, darf ich jetzt nicht mehr gegen ein vom Volk legitimiertes Bauprojekt auf die Straße gehen, muss die Kröte schlucken und das Maul halten. Es sei dahin gestellt, was ich von der Volksabstimmung über die Bahnhofsfrage halte. Aber klar ist: Es wird gebaut. Zumindest mal damit angefangen. Bis das Geld ausgeht. Einerseits sagt die Bahn, dass 4.500.000.000 Euro ausreichend seien. Andererseits sagte Bahnchef Grube aber auch, dass sich das Land wie alle Projektpartner an etwaigen Mehrkosten beteiligen muss. Ministerpräsident Kretschmann behauptet jedoch, dass das Land keinen Cent mehr als der veranschlagte Anteil zahlen wird. Gebaut soll trotzdem werden, obwohl keinem klar ist, wer die Rechnung dann zahlt, die garantiert kommen wird. Und da niemand gerne vor Bauruine 21 stehen möchte, wird im Falle von Kostenlimitüberschreitung halt doch Landesgeld in den Schlund des Erdbahnhofs verschwinden, denn keiner hat dann die Eier zu fordern, die Grube wieder zuzuschütten.

Als gute Demokratin schickt es sich vielleicht nicht, weiter gegen S21 zu demonstrieren, aber für eine klare Aussage zur Finanzierung kann man ruhig weiterhin auf die Straße gehen.

Wenn die Bahn ihren eigenen Zahlen glauben würde, könnte sie ja ohne Probleme die Mehrkosten übernehmen, die es aus ihrer Sicht nie geben wird. Es mag gängige Praxis sein, Projekte mit zu knapp kalkulierten Kosten politisch durchzusetzen, aber ich sehe nicht ein, dass die Bürger dieses Landes dafür aufkommen müssen. So lange seine Finanzierung nicht geklärt ist, darf mit dem Bau des Erdbahnhofs nicht angefangen werden.

Mich hätte übrigens interessiert, wie das Land abgestimmt hätte, wenn die erdbahnhofsfreudige Mehrheit direkt dafür gerade stehen müsste. Wie viel Privatvermögen wäre jeder von denen bereit, in ihre Version der Zukunft von Stuttgart zu investieren? Leider herrscht die Einstellung, dass irgend jemand schon die Rechnung bezahlen wird. Dieser Gedanke ist Vater unserer Eurokrise und widert mich an.

Als gute Demokratin akzeptiere ich des Volkes Wille, werde aber nicht aufhören, wach zu bleiben. Stuttgart wird sich in den nächsten Jahrzehnten drastisch ändern. Der Ruf nach mehr Partizipation des Volkes wurde laut, die Politik denkt über Vereinfachung von Bürgerentscheiden nach. Das stellt uns als Bürger in die Verantwortung, die Entwicklung kritischen Auges zu begleiten. Auch wenn es für viele frustrierend sein mag, dass der Widerstand nichts verhindern konnte, dürfen wir jetzt nicht aufgeben und uns beleidigt zurück ziehen. Gerade jetzt ist es wichtig, unser neu gefundenes politische Bewusstsein weiter zu leben und eine aktive Rolle an der Entwicklung unserer Stadt und unsere Landes einzunehmen. Demokratie funktioniert nur, wenn der Souverän, das Volk, kritisch, wach und verantwortungsbewusst handelt.

Freitag, 18. November 2011

Löcher begreifen



Neues aus unserer Galerie:

Am Freitag den 18. November gibt's eine Aktion in unserer Ausstellung. Karin lässt Leute haptisch das Grab-Mit-Gefühl erleben. Hier der Aufruf:
Lochworkshop am Modellgrabfeld

Übe dich im Lochgraben in unserem Modellboden! Lege Hand an die Erde an und fühle, wie dein Loch entsteht.

Dieser Workshop ist für alle jene, die aktiv an der Belochung unserer Stadt teilhaben wollen. Nebenan könnt ihr sogar an der Lochplanung teilhaben und mitbestimmen, wo in Stuttgart zuerst gegraben werden soll. Im Programm inbegriffen ist sachkundige Begleitung seitens einer versierten Lochologin.

Des weiteren kann man noch bei unserer Lochplanungsaktion teilnehmen, bei der eine große Luftansichtskarte von Stuttgart an der Wand hängt:
Hier entsteht ein Loch!

Das größte Loch der Welt – im Zentrum Europas. Nichts geringeres will die Initiative Loch 21 in Stuttgart verwirklichen. Alle Bürger der Stadt sind dazu aufgefordert, an dieser Aktion teilzunehmen. Packt eure Schaufeln aus und grabt mit! Bei Loch 21 wird Bürgerbeteiligung groß geschrieben. Doch wo fangen wir an? Engagiert euch und steckt eine Fahne in die Karte, und zeigt, wo zuerst gegraben werden soll. Schreibt uns dazu, wieso ihr denkt, dass dort ein Loch die Stadt verschönern würde!

Die Aktionen sind Arbeiten der Künstlergruppe Schattenwald.

https://www.facebook.com/event.php?eid=291309557567739
Freitag, 18. November · 16:00 - 19:00

Unser Pavillon, Mittlerer Schlossgarten, Stuttgart

Donnerstag, 17. November 2011

Busausfahrt gegen den Erdbahnhof

Bald ist es soweit: In Baden-Württemberg wird vom Volk über ein obskures Finanzierungsgesetz abgestimmt. Der Wahlzettel ist kompliziert und verwirrend, die Materie sowieso. Letztendlich hat man eine Wahl: Ja oder Nein. Ja heißt, man will das Milliardenprojekt Stuttgart 21 nicht haben, Nein bedeutet, dass man es haben will. Um Verwirrung vorzubeugen beschränkt sich der Wahlkampf auf eine klare Aussage, wo man das Kreuzchen hinmachen soll. Die Erdbahnhoffreunde klotzen mit Plakaten im ganzen Land, denn sie haben eins: Geld. Das haben die Gegner nicht, sind auf private Spenden und viiiiiiel Idealismus angewiesen. Darum will ich hier mal eine schöne Aktion erwähnen, die jene erreichen soll, die fern ab der Bahnhofsfrage leben, aber trotzdem gefragt sind. Hier der Aufruf:
Am 19.11. und 26.11.  fahren wir mit Bussen in ländliche Regionen, wo die Bahn nicht hinkommt.

In jedem grösseren Ort halten wir am Marktplatz, springen raus und verteilen ca. 15 Minuten Infomaterial. Dann heisst es “Alle Mensch an Bord”, und es geht weiter zur nächsten Station. Das Ganze geht ca. von 7:30 bis 15:00.

Wir hatten zunächst 2 Busse Reserviert – Nun, wegen grosser Nachfrage, stehen 3 Busse bereit. Natürlich fahren alle Busse in verschiedene Richtungen

Wenn Du an unserer Kaffeefahrt teilnehmen willst, kannst Du Dich noch per Email bei uns melden. Wir versprechen auch, weder Rheumadecken noch Tiefbahnhöfe zu verkaufen.

http://volksabstimmung-s21.org/cms/aktion/flashmob/

Dienstag, 8. November 2011

Grab mit!



Die Galerie lebt wieder! Erst vor kurzem habe ich Karin in unser Galeristen-Team mit aufgenommen, und schon machen wir unsere erste offizielle gemeinsame Ausstellung. Nun gut, ohne sie wäre die letzte Ausstellung nie zu Stande gekommen. Diesmal zeigen wir was in eigener Sache, denn es geht um mein Treiben im Widerstand gegen Stuttgart 21. Da ist natürlich das größte Thema die Initiative Loch 21, wozu es auch neue Sachen zu sehen gibt – und zum mitmachen! Ihr dürft euch – zumindest virtuell – bei der Verlochung unserer Stadt beteiligen. Es wird schöne Buttons geben und hoffentlich einen netten Abend mit viel Spaß. 

 

Ausstellung: Grab mit! Dora und der Widerstand. 

Vernissage: 

 

Montag, 14. November 2011
ab 19 Uhr
Unser Pavillon, Mittlerer Schlossgarten, Stuttgart



Montag, 7. November 2011

Schwer kommunizierbar

Ich les' grad in Spiegel und Stern, dass der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger schon lange wusste, das das Milliardenprojekt Stuttgart 21 noch mehr Milliarden kosten würde, die Zahlen aber zurück gehalten hätte. Landesbeamte hätten damals auf Basis von Bahnunterlagen Gesamtkosten von mindestens 4,9 Milliarden Euro kalkuliert, einen Endbetrag von bis zu 6,5 Milliarden Euro aber sogar für wahrscheinlicher gehalten, so der Spiegel. Auf Wunsch von Oettinger wurden die Kostenberechnungen abgebrochen, da die Zahlen „in der Öffentlichkeit schwer kommunizierbar“ sein.

Toller Trick, den merk ich mir! Wenn ich mal beim Lügen erwischt werde, behaupte ich einfach, die Wahrheit wäre halt schwer kommunizierbar gewesen. Beschimpft mich jemand als Lügenpack, echauffiere ich mich natürlich! Und wenn's dann um diese „Wahrheit“ geht, sag ich einfach: Scheiß der Hund drauf! Wir fragen jetzt einfach das Volk. Und wenn nicht mindestens ein paar Millionen sagen, dass ich lüge, dann erkläre ich die Lüge kurzerhand zur demokratisch legitimierten Wahrheit. Und wer sich dann noch beklagt wird in einen Container auf dem Wasen gesperrt.

Montag, 31. Oktober 2011

Erdbahnhof ist GEIL!



Ich habe mir zum Selbstschutz einen Spamfilter ins Hirn installiert. Der bewahrt mich zum Beispiel vor dümmlichen Werbekampagnen und Titelseiten der Bildzeitung, die überall leicht verdaulichen Blödsinn in großen Lettern offerieren. Diese Form von Ignoranz macht mein Leben schöner, es hält Unliebsames aus meiner Lebenslüge fern. Ab und an schau ich aber doch mal nach, was so alles im Fusselsieb des Spamfilters hängengeblieben ist, bin ja doch recht neugierig. In der Kategorie „Geiz ist geil“ ist mir dann doch was ins Auge gestochen: „Wir sind doch nicht blöd“, Mediamarkt-Optik aber kein Krimskrams zur elektronischen Unterhaltung für 555 Euro, sondern ein „Nein“ zum Kündigungsgesetz. Seit wann macht der Mediamarkt Politik? Äh, halt! Nicht Mediamarkt, www.fuerstuttgart21.de ist der Absender der etwas irreführenden Werbebotschaft. Anlass ist eine Volksabstimmung über die Finanzierung des Milliardenprojekts Stutttgart 21 durch das Land Baden-Württemberg. Das Thema ist komplex, die an der Wahlurne gestellte Frage ist so unverständlich wie eine Steuererklärung und der Bedarf an Aufklärung durchaus gegeben, da Souverän Volk nur dann sinnvoll entscheiden kann, wenn er weiß worum es eigentlich geht. Aufklären ist langwierig und bei vielen mangels Interesse erfolglos, drum kann man auch Meinung machen, dachte sich der IG Bürger für Baden-Württemberg e.V. und verkleistert das Land mit Grobgeschnitztem à la „Randale statt Demokratie – wir sind doch nicht blöd!“. Hinter einem Komplettausrutscher wie dem „Tu' IHN unten rein“-Hemdchen stehen einzelne Verwirrte, doch diese Kampagne hat System, sie ist ernst gemeint. Am besten, jeder schaut sich mal in Ruhe die Plakatserie an, und macht sich ein eigenes Bild davon, auf welchem Niveau diese Gruppierung von Erdbahnhofsfreunden versucht, Stimmen zu fangen. Und wie immer: Wenn das die besten Argumente für den Weiterbau sind, dann gute Nacht!

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Die Plakatmotive gibt's frei zum Runterladen bei http://www.fuerstuttgart21.de/.

PS: Falls euer Interesse doch tiefer geht als „oben bleiben=ja, oben ohne = nein“, hier der Wortlaut der Frage und der Gesetzesvorlage, um die es geht:
„Stimmen Sie der Gesetzesvorlage 'Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21' (S21-Kündigungsgesetz) zu?“

Bin mal gespannt, wie viele Wahlberechtigte Baden-Württemberger diese Frage kapieren. Naja, wenn das Volk als Souverän hier direkt entscheiden soll, dann muss man ihm auch die Kompetenz zurechnen, zu verstehen worum es geht. Hier mal die Gesetzesvorlage, der man zustimmen kann, aber nicht muss:
Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den
vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt
Stuttgart 21 (S 21-Kündigungsgesetz)
§ 1
Kündigung der Vereinbarungen
Die Landesregierung ist verpflichtet, Kündigungsrechte bei den vertraglichen
Vereinbarungen mit finanziellen Verpflichtungen des Landes Baden-Württemberg für
das Bahnprojekt Stuttgart 21 auszuüben.
§ 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

Es soll also darüber abgestimmt werden, die Mitfinanzierung von S21 durch das Land in Höhe von 824.000.000 Euro beendet werden soll. Wer besser verstehen will, um was es am 27. November geht, kann das hier auf einer einigermaßen neutraler Seite nachlesen: www.lpb-bw.de/volksabstimmung_stuttgart21.html.

http://aussteiga.de/

http://infooffensive.de/

http://www.fuerstuttgart21.de/

Samstag, 29. Oktober 2011

Verlassen der Materialität



Vorgestern war ich mal wieder in der xsGallery, bei deren Eröffnung ich damals eine Ausstellung machte. Diesmal wurde ein Fotograf angekündigt, der etwas vom Verlassen der Materialität in seiner Ankündigung (siehe unten) schrieb. Da ich selbst dort immer noch nicht angekommen bin, interessiert mich das Thema natürlich. Also: Nichts wie hin. Die Bude und die davor liegende Straße sind zum Bersten voll, drinnen spielt schon eine kleine Band (eine Bigband hätte da wohl kaum Platz drin), die sich Wohoo! nennt, aber nicht so klingt.

[caption id="attachment_7029" align="aligncenter" width="584" caption="Wohoo! machen Musik."][/caption]

Schnell ein Bier holen und raus aus dem Gedränge, Bilderschauen muss warten bis sich das Ganze etwas leert. Draussen treffe ich den Künstler: Matthias Kaiser, ein junger Fotograf, der hier seine erste Ausstellung macht.

[caption id="attachment_7032" align="aligncenter" width="584" caption="Matthias Kaiser, hier ganz materiell."][/caption]

Er zeigt mir seine Bilder, in denen er Menschen in ihrem Alltag fotografiert hat. Fast ihrem Alltag, den sie hängen schwerelos über dem Boden. Befremdlich und faszinierend, das Verlassen der Materialität halt. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich die Bilder heute oder morgen vor Ort anschauen (Heute von 19:00 bis 23:00, morgen von 14:00 bis 18:00). An der Wand wirken sie noch einiges schöner als auf dem Schirm. Für jene, denen der Sprung in die Materialität der Ausstellung verwehrt bleibt, habe ich die Exponate hier in digitaler Form.

[caption id="attachment_7024" align="aligncenter" width="584" caption="Gleich das erste Bild, dass ich sehe kommt mir bekannt vor. Schauspieler Lukas wohnt im selben Haus wie ich, jetzt darf er über der Bühne schweben."][/caption]

[caption id="attachment_7030" align="alignnone" width="584" caption="Ein alter Ofen der ehemaligen Sandwichbar zeigt ein Bild eines Ortes, an welchem Sandwichzutaten feilgeboten werden."][/caption]

[caption id="attachment_7020" align="aligncenter" width="584" caption="Erleuchtet am Badesee: Licht und Schatten wollen nicht ganz zusammenkommen."][/caption]

Matthias in eigenen Worten:



Alltag.
Gleiche Muster, Rhythmen, Abläufe.
Rituale oder doch nur Arbeitstrott?
Freizeitspaß oder Beschäftigung?
Der Mensch als Gewohnheitstier kommt immer wieder zu den gleichen Plätzen zurück, macht die gleichen Sachen, muss sie tun.
Manchmal aber ist er nicht bei der Sache und verlässt diese Welt.

Tankar (schwedisch für Gedanken) visualisiert das Verlassen der Materialität.

[gallery order="DESC" columns="2" orderby="title"]



 

https://www.facebook.com/tearoom.xsGallery

http://www.xsgallery.com/


http://www.matthiaskaiser.biz/ 


Entdeckung der Langsamkeit







Wir Stuttgarter können alles außer Hochdeutsch, zum Beispiel Porsche bauen. Das kann der österreichische Künstler Hannes Langeder auch. In Sachen Emission und Leichtbau ist er uns sogar um Längen voraus. Sein Ferdinand GT3 RS wiegt keine 100 Kilo und lässt einen den Luxus der Langsamkeit erleben. Wer wie ich an einer inoffiziellen Porscheteststrecke zur Erprobung von Motorenlärm beim Berghochfahren (Immenhoferstraße) lebt, weiß dieses Fahrzeug zu schätzen!

ferdinand.johannes-l.net

Zuvor erschienen bei brezel.me

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Neues aus der Galerie

Seit dem wir die Räume meiner Galerie nicht mehr nutzen durften ist da erst mal nicht mehr so viel passiert. Bis vor kurzem, wo wir unsere erste Ausstellung außer Haus organisiert hatten. „Unser Pavillon“ im Schlossgarten war dafür perfekt, da die Bilder, die wir dort zeigten, auch dort aufgenommen wurden. Pavillonistin und Loch21-Aktivistin Karin hat uns dabei so sehr unterstützt, dass wir sie einfach in die Galeriemannschaft aufgenommen haben. Wir planen schon unsere nächste Ausstellung ...

Doch das ist nicht alles: Ich habe eine neue Webseite für die Galerie erstellt:

www.galerie-dora-asemwald.de

Dort gibt's viele Fotos von vergangenen Vernissagen, Arbeiten der Künstler und alles mögliche andere, was mit unserem Schaffen zu tun hat.

Und nicht vergessen:

Galerie Dora Asemwald

Wirb ebenfalls für deine Seite

Samstag, 15. Oktober 2011

Rabatz in der Börsenstraße



In Stuttgart sind Demonstrationen mittlerweile en vogue, wenngleich nicht mehr so ganz wie vor einem Jahr. Der geplante Bahnhofsbau hat die Leute auf die Straße getrieben, der damalige Ministerpräsident Mappus hat sie in Rage gebracht und Fukushima hat den Atomkraftgegner in vielen geweckt. Morgen gibt's wieder eine Demo. Schon wieder? Was jetzt? Occupy Wall Street war der Auslöser. Die Wut auf Banker, die beim Zocken auf dem Finanzmarkt der Weltwirtschaft die Beine unter dem Arsch weggezogen haben, treibt derzeit weltweit Menschen auf die Straße, und so auch in Stuttgart. Genauer gesagt in die Börsenstraße, der Stuttgarter Version der Wall Street. Heute demonstrieren Menschen auf der ganzen Welt gleichzeitig gegen Gier und Korruption.



Das Problem: Der Gegner ist etwas diffus. Keiner kapiert so richtig was auf der Welt gerade wirklich abgeht, keiner hat eine Lösung parat, aber viele haben ein Gefühl: So nicht! Es gibt keine einfachen Parolen, das Problem lässt sich auch nicht ins alt hergebrachte Links-Rechts-Schema pressen, weil die Wohlhabenderen auch unter den Finanzkrisen leiden, wenngleich nicht existenziell. Was bringt es denn, einfach so auf die Straße zu gehen und allgemeinen Unmut auszudrücken, wenn man nicht einmal klare Forderungen stellen kann?

Nach der großen Finanzkrise, die durch den amerikanischen Immobilienmarkt ausgelöst wurde, mussten viele Banken mit Steuergeldern gerettet werden. Verluste wurden sozialisiert, während Gewinne zuvor immer privatisiert wurden. Um so etwas nicht noch einmal zu erleben, wurden große Änderungen in Aussicht gestellt, man wollte die Finanzmärkte stärker regulieren. Passiert ist nichts. Dafür haben die Banken gesorgt. Ihr Einfluss auf die Politik ist erschreckend. Kaum hat der Steuerzahler ihren Arsch gerettet, werden wieder Boni ausgezahlt, es wird fröhlich weiter gezockt, bis zur nächsten Krise. Im Zweifel gibt's ja Rettungsschirme. Offensichtlich fürchten Politiker die Banken mehr als den Unmut ihrer Wähler. So wurde zum Beispiel die Macht der Atomlobby erst gebrochen, als der Politik unmissverständlich klar gemacht wurde, dass man mit Atomkraft keine Stimmen mehr bekommen. Eben diesen Druck aus der Bevölkerung müssen sie spüren, wenn es um die Finanzmärkte geht.

Unser Unmut muss sichtbar werden. So sehr, dass ihn die Medien nicht mehr ignorieren können, das Politiker um ihre Macht fürchten müssen. In einer gesunden Demokratie muss die Bürgergesellschaft zumindest auf Augenhöhe mit den Lobbys sein. Wir haben keine Millionen, um Politikern Honig um den Mund zu schmieren, aber wir sind Millionen! Millionen von Wählern, die nicht mehr für die Selbstbedienungsmentalität des Finanzmarktes geradestehen wollen, die nicht mit zusehen wollen, wie wir ungebremst in die nächste Krise schlittern. Den am Ende sind alle Verlierer.

Es ist vielleicht etwas grob geschnitzt, den Investmentbanker als Feindbild hinzustellen und vor den Börsen Rabatz zu machen, aber was bleibt uns anderes übrig? Motzen ohne eine bessere Lösung zu bieten ist ja auch nicht so toll, aber was bleibt uns anderes übrig? Ich habe keine Ahnung von der Weltwirtschaft, weiß nicht, wie man aus dem Schlamassel wieder rauskommen kann. Man kann nicht einfach abschalten oder oben bleiben. Wie mir scheint, hat die Politik auch keinen blassen Schimmer, so komplett widersprüchlich ihre Ansätze sind. Das einzige, was ich mir wünschen kann ist, dass sie sich nicht von den Banken den Weg diktieren lassen, den die handeln nicht im Sinne des Allgemeinwohls. Und wenn ich dazu auf der Straße lärmen muss, damit der eine oder andere Politiker aufwacht, dann soll es so sein.

Fotos: Karin Rehm

Hier noch Puttes Senf zur Frage, warum man auf die Straße gehen soll:
>>Warum sollte ich am kommenden Samstag, den 15.10., auf die Strasse gehen?<<

Eine erste gute Grundvoraussetzung ist, dass du aller Wahrscheinlichkeit nach zu jenen 9 von 10 Menschen in diesem Lande gehörst, die politikerverdrossen sind. (Das ergab eine repräsentative Statistik, die vor einiger Zeit durch sämtliche öffentliche Medien ging.)

Und weil die Politik, als verlängerter Arm der Bürger, aus der Finanzkrise 2008 nichts gelernt zu haben scheint.

Egal wie alt oder jung du bist, welche Partei du wählst oder Nicht-Wähler bist, ob arm oder sogar reich - ein einigermaßen funktionierender Gerechtigkeitssinn sollte Voraussetzung genug sein, um diesen Unmut gemeinsam mit vielen anderen zu äussern. (Auch reichen und reicheren Menschen kann nicht gefallen, was gerade passiert, auch ihr Wohlstand steht auf dem Spiel.)

Am 15.10. werden Menschen in aller Welt aus u.a. diesen Gründen zusammen auf die Strasse gehen, um ein Zeichen zu setzen und um zu sagen: "Wir sind da und wir sind die meisten."

>>Was soll das bringen?<<

Wir haben mittlerweile bemerkt, dass die Politik oft nur dann in Bewegung gerät, wenn viele zusammen es schaffen mediale Aufmerksamkeit zu erlangen. Es gibt viele Wege, sich Ausdruck zu verschaffen. Gerade das Internet mit seinen sozialen Netzwerken trägt einen wichtigen Teil dazu bei.

Aber, und das hat uns die Geschichte gelehrt: Die Strasse ist und bleibt das eindruckvollste Mittel für eine mögliche gesellschaftliche Veränderung, die in der Bürgerschaft ihren Ursprung findet.

>>Dann stehe ich da unter Menschen, die Haltungen und politische Meinungen haben, die ich nicht gutheissen kann?<<

Ja, das wird passieren und ist letztlich nichts anderes als das positive Signal, dass man am kommenden Samstag den vielleicht seltenen Fall erlebt,

einen gemeinsamen Nenner mit sonst andersenkenden gefunden zu haben. Vielleicht heisst das für den einen oder die andere, einen inneren Schweinehund zu überwinden, um über den eigenen Schatten zu springen. Das alte Links/Rechts-Denken für ein paar Stunden beiseitelegen und schauen was passiert. Zu verlieren gibt es dabei nichts, zu gewinnen sehr viel mehr.

>>Ist das einfach nur "dagegen" oder gehts hier auch um ein "Für"?<<

Es geht um soziale Gerechtigkeit, soviel ist klar. Natürlich mag all das etwas diffuses und abstraktes mit sich bringen, aber das ist der Komplexität des Themas geschuldet und dem Moment, den wir derzeit erleben. Bevor unsere Gesellschaften neu verhandelt werden können, braucht es Empörung. Auch wenn die Motive der Einzelnen voneinander abweichen können, haben wir alle doch verstanden, dass es um eine Gerechtigkeit geht, die abhandengekommen ist: Banken sind völlig aus den Fugen geraten, Finanzjongleure sind von allen guten Geistern verlassen, etc. All das auf Kosten der Menschen in ihren jeweiligen Ländern. Dass das so nicht weitergehen kann, scheint den allermeisten klar.

Erst wenn wir uns hörbar machen, haben wir die Chance auf Mitsprache. Ich wünsche mir eine Neuverhandlung, die nicht nur lediglich von Politikern und Wirtschaftsleuten besprochen wird. Ich wünsche mir Psychologen, Soziologen, Künstler, Kommunikationswissenschaftler, Philosophen, etc. und selbstverständlich die Bürger selbst, die unsere Gesellschaft neu diskutieren. Es geht vielleicht um mehr als um "nur" um Begriffe wie Euro, Rettungsschirm und Finanzkrise, sondern auch um eine Ethik, abseits von Ideologien.

>>Dieses Revolutionsgerede stösst mich ab.<<

Es geht hierbei aus meiner Sicht nicht um eine Revolution, dieses Wort mag abschrecken und wiegt sehr schwer. Aber es geht um nichts Geringeres als um den Wunsch nach einer wirklichen Veränderung unserer Gesellschaft und die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Und wenn die Politik es parteienübergreifend nicht schafft, ihren Wählern Vertrauen abgewinnen zu können, ist irgendwas faul. An diesem Punkt befinden wir uns, dazu brauchts auch keine Verschwörungstheorien.

>>Aber uns hier gehts doch gut!<<

Nicht nur Europa hängt zusammen, die ganze Welt tut es aufgrund der Globalisierung. Die Wirtschaft spielt dabei eine große Rolle.

Zu glauben, dass wir das mal eben schaukeln, während andere Länder um uns herum mehr und mehr ins Straucheln geraten, scheint nicht angebracht.

Es geht nicht darum, den Teufel an die Wand zu malen, aber es geht um Achtsamkeit. Und es geht schlussendlich auch darum, nicht immer nur an sich selbst und die Seinen zu denken. Da ist ein Tellerrand, über den es hinauszuschauen gilt. Ich bin hier schliesslich nicht alleine. Du?

Auf dieser facebook-Seite findest du die Städte Deutschlands, die sich am kommenden Samstag beteiligen:

https://www.facebook.com/notes/echte-demokratie-jetzt/aktuelle-demo-termine-echte-demokratie-jetzt/212633758769245

Mehr dazu:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,791349,00.html

http://www.sueddeutsche.de/politik/protestbewegung-occupy-in-europa-sie-sind-viele-und-sie-sind-wuetend-1.1162025-3

Demo in Stuttgart:

https://www.facebook.com/event.php?eid=275272769161270

https://www.facebook.com/event.php?eid=283525921666553

Freitag, 14. Oktober 2011

Virtuelle Identität






Dieser Artikel ist zuvor in der Kontext Wochenzeitung erschienen, ist hier aber noch mal mit Links zu Quellen und weiterführenden Artikeln versehen. 

Die Musik, die wir hören, die Kleider, die wir tragen, die Bars, in die wir gehen – all das ist Teil unserer Identität, so nimmt man uns wahr. Weltweit und sofort, Internet sei Dank. Wir erschaffen unser Abbild in der virtuellen Welt, unsere Identität erweitert sich in soziale Netzwerke wie Facebook. Vor welche Herausforderungen stellt das unsere Gesellschaft, die kaum noch hinter den Entwicklungen des Internets herkommt?

Wenn Mark Zuckerberg, Gründer und Chef von Facebook, die neuesten Entwicklungen verkündet, lauscht die Welt. Kein Wunder: das soziale Netzwerk, bei dem sich vor Kurzem erst über 500 Millionen Menschen innerhalb von 24 Stunden einloggten, verändert unsere Gesellschaft nachhaltig. "Timeline" nennt sich das neueste Feature, das auf der Konferenz F 8 im September vorgestellt wurde. Facebook will nichts weniger, als das Leben aller Nutzer von der Geburt bis zum Tod zu dokumentieren und in einem virtuellen Tagebuch zusammenzufassen.

Da kommt einiges zusammen, denn jeder Schritt auf Facebook hinterlässt Spuren, bildet unsere virtuelle Identität. Zum Glück kann man Unliebsames aussortieren und sich somit seine eigene Biografie zusammenschustern. Das Verlockende daran: befreit von der Last des physischen Körpers, kann sich dort jeder selbst neu erfinden. Wie nah das digitale Bild dem greifbaren ist, entscheiden wir zuerst mal selbst, denn Onlineprofile sind geduldig.

Kaum jemand ist ehrlich, wenn es ums eigene Gewicht beim Netzflirt geht. Schwierig wird es erst, wenn man den geschützten Raum des Webs verlässt und das Profil dem Vergleich mit der Realität standhalten muss. Manche wollen gar nicht erst ein Abbild ihrer selbst erstellen, sie genießen den Schutz der Anonymität. Sei es, um sich vor der Verantwortung ihres Handelns zu drücken oder sich vor Repressalien zu schützen.

Der Innenminister möchte ein digitales Vermummungsverbot

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat im Anschluss an die Anschläge in Norwegen der Anonymität im Netz den Kampf angesagt. Es müsse gelingen, die geltende Rechtsordnung auch auf die digitale und virtuelle Welt zu übertragen, sonst versinke das Netz "ins Chaos der Gesetzlosigkeit". Klarnamenzwang fürs Internet? Das lässt sich technisch nicht umsetzen und würde den unbescholtenen Surfer in falscher Sicherheit wiegen. Friedrich bedient dabei lediglich die Ressentiments jener, denen die Freiheit des Internets Angst einflößt und liefert einen weiteren Vorwand, die Meinungsfreiheit im Netz zu beschneiden.

Anonymität bietet auch Schutz. Niemand würde sich in einer Selbsthilfegruppe für heikle Themen mit seinem Klarnamen outen, insbesondere wenn regelmäßig Datenlecks vermeintlich Privates in die Öffentlichkeit spülen. In Ländern, die Andersdenkende verfolgen, ist die Anonymität für kritische Geister unabdingbar. Das kann natürlich auch nach hinten losgehen, wie die Geschichte der vermeintlichen Bloggerin Amina Arraf, die mit ihrem Blog "A Gay Girl in Damascus" international für Aufsehen sorgte. Ihre klischeebehafteten Berichte aus dem unterdrückten Syrien bedienten genau das, was die Öffentlichkeit hören wollte.

Als sie vermeintlich entführt wurde, flog die Geschichte auf: Amina entpuppte sich als die Erfindung des 40-jährigen Langzeitstudenten Tom MacMaster aus dem schottischen Edinburgh.

Viele Jugendliche werden Opfer einer Cybermobbig-Attacke

Anonymität begünstigt verantwortungsloses Handeln. Unter falschem Namen kann man nach Lust und Laune pöbeln und belästigen. Sogenannte Trolle machen sich einen Sport daraus, Web-Foren und Diskussionen zu stören. Kommentarschlachten zu kontroversen Themen wie dem Großprojekt Stuttgart 21 nehmen teilweise groteske Formen an. Hässlich wird es, wenn gezielt Einzelne angegriffen werden. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker-Krankenkasse waren 32 Prozent der befragten Zwölf- bis 20-Jährigen bereits Opfer einer Cybermobbing-Attacke.

In einigen Fällen führte das zum Selbstmord von Jugendlichen, die dem virtuellen Druck nicht standgehalten haben. Die Anonymität im Netz muss verschwinden, so Randi Zuckerberg, die Marketingchefin von Facebook. Nutzer würden sich unter Nennung ihres eigenen Namens besser benehmen. Doch was ist, wenn sie unter fremden Namen agieren?

Eine große Gefahr für virtuelle Identitäten ist deren Diebstahl. So hat eine Hackergruppe namens The Script Kiddies am diesjährigen US-amerikanischen Unabhängigkeitstag den Twitterkanal von "Fox News Politics" gekapert und verbreitet, US-Präsident Obama sei einem Attentat zum Opfer gefallen.

Pflicht zum Klarnamen schützt vor Schaden nicht

Viel beliebter bei Identitätsdieben ist jedoch der Missbrauch geknackter Nutzerkonten, um unter fremder Flagge mal ordentlich in Onlinekaufrausch zu verfallen. Ärgerlich für das Opfer: er oder sie muss für die Taten des Hackers erstmal geradestehen. Wie einfach es ist, in die Identität anderer zu schlüpfen, hat letztes Jahr der Hacker Eric Butler gezeigt. Eine von ihm erstellte Software erlaubte es auch Laien, ungeschützte WLAN-Netzwerke nach Zugangsdaten zu diversen Onlineplattformen abzuhorchen. Vor so etwas kann eine Klarnamenpflicht nicht schützen.

Google-Manager Eric E. Schmidt warnte letztes Jahr davor, dass die Gesellschaft grundsätzlich nicht auf die durch technische Entwicklungen ausgelösten kommenden Veränderungen vorbereitet sei. Nur der Verzicht auf Anonymität kann Missbrauch verhindern, jeder müsse für seine Aktivität im Netz verantwortlich gemacht werden können. Wie uneigennützig diese Warnung ist, sei dahingestellt: Google verdient sein Geld mit zielgenau platzierter Werbung, und für die ist Anonymität Gift.

Nutzerdaten sind die neue Währung im Netz. Umso genauer sie und somit das Konsumverhalten aufgeschlüsselt sind, desto wertvoller sind sie für Werbetreibende. Jeder Klick wird registriert und analysiert, das Bild potenzieller Kunden wird immer schärfer. Das hilft dabei, stets die passenden Werbebanner einzublenden. So kann man zum Beispiel ehemaligen Käuferinnen von Umstandsmode später Babynahrung anbieten. Die Konsumdaten werden derzeit noch anonym gespeichert, der Nutzer identifiziert sich über Cookies, kleine Dateien, die Internetseiten im Webbrowser ablegen.

Keine Kontrolle über den Großteil unserer digitalen Spuren

Auch außerhalb des Netzes werden Daten gesammelt: Laut Paypal-Chef Scott Thompson soll der Geldbeutel bis 2015 ausgedient haben. Das ist eine mutige Ansage, aber nicht ganz unwahrscheinlich, bedenkt man, wie schnell sich elektronische Zahlungsmittel ausbreiten. Google testet derzeit sein neues Angebot Google Wallet. Man bezahlt einfach mit dem Handy, das sich mittels NFC-Technologie (Near Field Communication) per Funk mit der Kasse kurzschließt. So werden wir beim Offline-Shoppen ebenso gläsern wie im Netz.

Wir können viel über unsere virtuelle Identität herausbekommen, doch was im Internet genau von uns bekannt ist, weiß niemand. Haben wir unser digitales Selbst überhaupt im Griff? Auf Plattformen wie Facebook können wir – technisches Know-how vorausgesetzt – noch entscheiden, wie unser eigenes Profil aussieht und wer es sehen kann. Doch ist das nur die Spitze des Eisbergs, über den Großteil unserer digitalen Spuren haben wir keine Kontrolle.

Die Abbildung der greifbaren Welt in der virtuellen schreitet voran. Smartphones wissen per GPS, wo sich ihr Nutzer gerade befindet und geben Tipps, was die Umgebung so zu bieten hat. Wir können überall auf die digitale Version unserer Welt zugreifen, sehen, welche Cafés sich in der Umgebung befinden, und lesen, was andere von ihnen halten. Onlinealben voll fremder Urlaubsfotos zeigen uns den besuchten Ort durch andere Augen, und wir können schauen, welche Bekannten sich gerade in der Gegend befinden. Unsere Bewegungsprofile erweitern unsere virtuelle Identität, binden sie an die physische Welt und machen uns noch gläserner.

Facebook scannt alle hochgeladenen Porträts biometrisch

Derzeit wird das Internet auf das neue Protokoll IPv6 umgestellt, welches die Anzahl der möglichen Internetadressen von zirka vier Milliarden auf 10 hoch 38 erhöht und es somit jedem Toaster erlaubt, uns online seinen Röststatus mitzuteilen. Einen riesigen Schritt zur Verschmelzung von materiellem und virtuellem Raum wird die biometrische Gesichtserkennung auslösen. Ein schnelles Foto, und Menschen aus Fleisch und Blut lassen sich mit ihren virtuellen Alter Egos abgleichen, egal unter welchem Fantasienamen sie im Netz unterwegs sind. Technisch ist das möglich, es wird an Flughäfen und bei der Strafverfolgung schon eingesetzt.

Facebook scannt beim Hochladen alle Bilder biometrisch und markiert auf Wunsch die abgebildeten Personen. Durch Gesichtserkennung mit der Handykamera könnten wir Leute auf der Straße biometrisch abgleichen und identifizieren. Da sträubt sich heute noch der Datenschutz dagegen, aber es ist letztendlich nur eine Frage der Zeit, bis das technisch Machbare auch eingesetzt wird.

In nicht allzu ferner Zukunft werden wir Geräte haben, welche die Realität um ihr virtuelles Abbild erweitern. Eine Kamera wird unsere Umwelt aufnehmen, das Gesehene identifizieren und virtuelle Zusatzinformationen anbieten. Die sogenannte Augmented Reality ist das Portal zwischen zwei Welten, die sich immer schneller annähern. Und so wie die Realitäten ineinander übergehen, verschmelzen wir mit unseren virtuellen Identitäten. Die Frage nach Anonymität wird sich spätestens dann kaum noch stellen.

Selbst Science-Fiction-Autoren beißen sich die Zähne aus

Wie lebt es sich in einer Welt, in der uns alles und jeder mit Informationen zuballert, in der nicht mehr klar ist, was greifbar und was virtuell ist, in der es kaum noch Raum für Geheimnisse gibt, in der Revolutionen über Facebook verabredet werden? Und welche Gegenbewegung wird all das auslösen? An diesen Fragen nach den Folgen für unsere Gesellschaft beißen sich selbst Science-Fiction-Autoren die Zähne aus. Die Entwicklung ist unvorhersehbar und schreitet schneller voran, als dass wir uns an sie adäquat anpassen können. Die Kluft zwischen jenen, die damit aufwachsen, und denen, die einst gelernt haben, sich ohne Handy erfolgreich zu verabreden, wird immer größer.

Während die Alten sich der Entwicklung verweigern und den Verfall ihrer Kultur anprangern, nutzen die Jungen die neuen Medien ohne Vorbehalt und schaffen ihre eigene, neue Kultur, die Außenstehenden nicht nachvollziehbar ist und ihnen Angst einflößt. Wird unsere Gesellschaft dadurch überfordert und unmenschlicher werden, oder ist es die Chance auf eine bessere Welt? Wir können davon halten, was wir wollen, aufhalten können wir es nicht – aber kritisch beobachten und schauen, wie wir verantwortungsvoll damit umgehen können, und dann das Beste draus machen.

Die Bloggerin Dora Asemwald ist ein virtuelles Wesen, erfunden von einer Person, die keine Repressalien fürchten muss und auch offen ihren Namen jedem nennt, der sich dafür interessiert. Asemwald wurde aus dem Wunsch geboren, die Grauzone zwischen der greifbaren und der virtuellen Realität zu erforschen.



Katzenmusik

Musik mag ich nicht nur, mach ich bisweilen auch. Zum Glück nicht alleine, das wollte ich niemandem zumuten. Meine liebe Freundin Maren Katze ist Sängerin und etwas erfahrener als ich im produzieren von Tönen, drum hab ich mich mit ihr zusammen getan. Noch ein Gastmusiker hat mitgeholfen, et voilà: Eine weitere Band ist entstanden. Der Bandname war schnell gefunden: Maren Katze + Dora Asemwald = Katzenwald. Ich mag eh Wälder und Katzen, und der Name ist noch nicht auf MySpace zu finden gewesen. Noch mal: Es gibt den Bandnamen noch nicht. Krass. Jedes erdenkliche Wort, das je gesprochen wurde muss schon mindestens für drei bis fünf Bands herhalten. Ich kann's immer noch nicht glauben. Ne, echt nicht. Aber schön, gut für Maren und mich! Unser erstes Lied haben wir mit Tobias Pfitzer gemacht. Für weitere Lieder würden wir uns über tolle Gastmusiker freuen, die was mit uns machen wollen.

Hier gibt's was zu hören: www.myspace.com/katzenwald



 


Mittwoch, 5. Oktober 2011

Gartenbilder







Die Ausstellung „Bilder aus dem Schlossgarten“ in „Unser Pavillon“ war wunderbar. Danke an die Fotografen Frank, Steff und Peter, an Karin vom Pavillon, an die Compagnia Sackbahnhof, die die Ausstellung mit ordentlich Musik angefeuert haben und an alle Gäste, die mit uns diesen schönen Abend gefeiert haben!

https://www.facebook.com/galerie.dora.asemwald

PS: Pandora Büchse war auch unter den Gästen, vielleicht seht ihr sie ja im Film.

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 4. Oktober 2011

Kaffee im Offlinemusikportal



Plattenladen: Offlinemusikportal für Leute, die ihre Downloads gerne in Tüten nach Hause tragen. Diese Läden gibt es nicht mehr viele, die digitale Revolution hat die meisten gefressen. Einen nicht: Ratzer Records, vor 27 Jahren gegründet von Karl-Heinz Ratzer, der in der Disziplin des Richtigeplattefürmichfinden kein Vorschlagsroboter von Amazon fürchten muss, und dabei auch noch ein prima Kerl ist. Jetzt gibt’s noch einen weiteren Grund, Musik offline zu shoppen: Kaffee und Kuchen! Ratzer ist umgezogen und hat zusammen mit Gattin Brigitte seinen Plattenladen um ein Café erweitert. Das Ganze nennt sich dann Ratzer Records Plattencafé. Natürlich lass ich mir die Eröffnung nicht entgehen und geh’ rüber in die Hauptstätter Straße. Gleich neben dem Brunnenwirt stehen die Leute schon auf der Straße: Stadtbekannte Plattenleger, Bloggerkollegen und andere Freunde der Musik haben sich zum Kaffeeklatsch versammelt. Drinnen ist es voll und heiß, im hinteren Eck ein rotes Sofa: Joe Bauer wird gleich lesen und ist voll in seinem Element. Die etwas anrüchige Geschichte des Altstadtcafés lockt einige Anekdoten aus dem Fundus des Flaneurs, der wohl schon durch die Straßen dieser Stadt schlich, als ich noch mit der Rassel um den Weihnachtsbaum rannte. Zwischen den Zeilen musiziert Dacia Bridges mit Alex Scholpp. Auch im Programm:  Hoch/Tief, Max & Laura Braun und Michael Setzer.



Im hinteren Bereich kann man das tun, was für erfolgreichen Plattenkauf unabdingbar ist: Rumkruschteln. Eine zeitaufwändige Tätigkeit, weshalb die Kombination mit Café schlau ist. Alkohol gibt’s außer zur Eröffnung hier keinen, dafür alles, was eine ordentliche Espressomaschine so hergibt, schöne Tees und lecker Kuchen. Suppen und Sandwiches sollen folgen. Ich freu mich schon drauf, zwischen Vinyl und CDs die Küche auf Herz und Nieren zu testen. Endlich mal ein Café, in dem auch ordentliche Musik läuft!

Ratzer Records Plattencafé
Hauptstätter Straße 31
70173 Stuttgart
www.ratzer-records.de (derzeit noch offline)
info@ratzer-records.de

Erschienen auf Gig-Blog, dort gibt's noch mehr Bilder.

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Montag, 3. Oktober 2011

Feiern mit Bohumil und Stela

Liebe Leser,

ja, es gibt mich noch. Ich war in der letzten Zeit viel unterwegs und hab nichts hier darüber berichtet, man musste schon auf Facebook mit mir verbandelt sein, um von den neuesten Erlebnissen zu erfahren. Jetzt hab ich ja jede Menge Geschichten, die sich auf meinem Stapel so angehäuft haben.

Ich hab mir mal wieder ein neues Kleidchen gekauft, wie man oben sehen kann. Das ist Teil der neuen Kollektion von Judith Schöntag, von der ich mich sehr gerne einkleiden lasse. Die hat jetzt ihr Atelier im sogenannten H7, in der Heilbronner Straße 7 in Stuttgart. Besuchen lohnt sich! Ich mag besonders die T-Shirts mit dem Tangram-Designs. Allen voran natürlich die Katze. Der Rest ist nicht immer ganz alltagstauglich, aber wer will denn schon Alltag? Wenn man keine glamourösen Anlässe findet, so was zu tragen, dann muss man sie halt schaffen. Und sei es nur, um eine Person um seinen Verstand zu bringen! Das Leben ist bunter, wenn man ab und zu den Alltag mal anlasslos auf die Reservebank schickt und es sich gut gehen lässt. Natürlich macht es auch Spaß, sich Anlässe aus den Fingern zu saugen. Aus einem der zehn Finger wird schon was kommen. Es gibt immer einen Weltdingsbumstag. Heute ist nicht nur Tag der deutschen Einheit (man könnte einen Schicken Overall tragen), sondern auch Tag der offenen Moschee (etwas Schleierhaftes im Gesicht), Unabhängigkeitstag in Guinea (Meerschweinchenlook) und nationaler Gründungstag in Korea (Kim Jong Il Brille). Wenn das nicht reicht: Vielleicht kennt man eine Bianca, einen Ewald oder eine Paulina, die haben heute Namenstag und wollen befeiert werden. In der Tschechei feiert heute Bohumil, in der Slovakei Stela. Also erzählt mir bitte nicht, heute wäre ein ganz normaler Tag!

Ansonsten hab ich noch viel zu viel zu berichten, um es in einem Artikel unterzubringen. Ich war in Tallinn, der Kulturhauptstadt dieses Jahres, habe eine Ausstellung gemacht, mich über scheindemokratische Bürgerentscheide echauffiert und mich an so manchen Orten rumgetrieben. Bald gibt's Neues von mir!

Liebe Grüße

Eure Dora

www.judith-schoentag.de

www.facebook.com/hellogrey 

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Fotos: Matthes Schrof

Freitag, 16. September 2011

Bunt und laut!



Protest will wahrgenommen werden, drum muss er bunt und laut sein. Der drohende Stuttgarter Erdbahnhof hat die kreativen Geister jener geweckt, für die sich Fortschritt nicht in der Anzahl rollender Bagger misst. Im Laufe der Jahre hat sich eine Menge an Protestequipment angesammelt, vom Button bis zum historischen Wasserwerfer. Meine liebe Kollegin und Pavillonistin Karin, mit der ich meine letzte Ausstellung organisiert habe, hat beschlossen in eben jenem Pavillon im Schlossgarten die Ästhetik des Widerstands auszustellen. Doch braucht sie natürlich Exponate, damit die Ausstellung „Protest Equipment“ am 30.9. im Schlossgarten auch die Vielfalt zeigen kann, die wir in den letzten Jahren auf den Straßen gesehen haben. Also los, liebe Mutbürger, macht mit und bringt ab dem 24.9. eure Banner, Hüte, Jacken, Wasserwerfer, Tröten und anderes Gedöns zu „Unser Pavillon“ in den Schlossgarten!

http://www.unser-pavillon.de/

Montag, 12. September 2011

Ausflug auf's Land

Irgendwann, wohl dieses Jahr noch, soll wohl das ganze Land befragt werden, wo in Stuttgart in Zukunft die Züge fahren sollen. Mich fragt niemand, ob in Konstanz oder Künzelsau die Stadt auf links gedreht werden soll. Ehrlich gesagt: Es interessiert mich auch nicht. Ebenso wenig interessiert es den Münsinger, wie rum in Stuttgart die Gleise liegen. Auch wenn er dafür zahlen muss, wenngleich natürlich indirekt. Trotzdem wird er gefragt. Ob er antwortet oder nicht. Ob er von der komplexen Materie Ahnung hat oder nicht. Das doofe: Ein Drittel aller Wahlberechtigten, also 2,5 Millionen müssen gegen den Erdbahnhof sein, sonst geht die Wahl automatisch zu Gunsten des Milliardenprojektes aus. Auch wenn sich viel weniger dafür entscheiden. Demokratie geht anders.

Wir haben keine Chance. Nutzen wir sie. Sagen sich auf jeden Fall ein Haufen Erdbahnhofsgegner. Das gefällt mir! Sie wollen auf's Land ziehen und das dort hintragen, was dort zu diesem Thema verständlicherweise Mangelware ist: Information. An Infoständen im ganzen Land wollen sie mit potenziellen Wählern reden. Sie suchen auch noch Leute, die die Idee unterstützen und sich beteiligen wollen:

volksabstimmung-s21.org

Samstag, 3. September 2011

Plastische Erörterung der Bahnhofsbesitzfrage



Ich freu mich schon auf die Ausstellung am Montag in unserem Pavillon. Da war ich auch gestern kurz und habe gehofft, ich kann was beim Aufräumen helfen. Pavillonistin Karin hatte aber alles im Griff, ich stand dumm rum und hab den Künstler kennen gelernt, der die letzte Ausstellung gerade abbaute. Nicht nur, dass mich seine Arbeit eh schon beeindruckt hatte, er stellte sich auch als angenehmer Zeitgenosse raus, der hier vorgestellt gehört.

Ausgestellt hatte der Künstler Peter Schmidt ein Bahnhofsmodell, dass  im Rahmen des Bahnjahr 2010 Nürnberg er- und ausstellte. Das Thema: „Wem gehört der Bahnhof?“. Umwerfend die Detailverliebtheit die er beim plastischen Erörtern der Besitzfrage zeigt. Man kann sich im Modell verlieren und findet immer neue Anspielungen und Zitate. Ich will nicht lang rumschwafeln, schaut euch die Bilder vom Modell selbst an. Leider schreib ich zu spät darüber, denn jetzt kann man das Modell im Pavillon nicht mehr sehen. Pech gehabt.

http://www.oma-maier.de/

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Mittwoch, 31. August 2011

Zwischen den Zelten

Es wurde ja auch höchste Zeit! Das Brachliegen meiner Galerie war mir eh ein Dorn im Auge, jetzt hab wieder was am Start. Diesmal geh ich aus dem Haus, in den Stuttgarter Schlossgarten. Dort steht „Unser Pavillon“, der einst als Camera Obscura den Bahnhof abbildete, jedoch zum Veranstaltungs- und Ausstellungsort für den kreativen Widerstand gegen den angedrohten Erdbahnhof mutierte. Heute ist da immer was los, nette Freiwillige kümmern sich um Besucher, hören sich Schimpftiraden jener an, die lieber eine Baugrube als die Zelte im Park hätten. Genau der richtige Ort und die richtigen Leute, um eine schöne Ausstellung zu machen.

Ausgestellt werden Fotos von Peter Franck und Frank Bayh & Rosenberger-Ochs, die die Zeltstadt im Park dokumentiert haben.

Montag, 5. September um 19:30
Unser Pavillon, Mittlerer Schloßgarten, Stuttgart

https://www.facebook.com/frankundsteff
https://www.facebook.com/peter.franck1

https://www.facebook.com/event.php?eid=107044349400516
https://www.facebook.com/pages/Unser-Pavillon/115978998485163

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Montag, 29. August 2011

Pflichtkurs für Rocker



Schon The Who haben erkannt: Nach dem Konzert wird demoliert. Richtige Rockstars machen Kleinholz aus ihren Gitarren. Um auch als Anfänger auf der Bühne verwegen rüberzukommen sollte man besser einen ordentlichen Gitarren-Crash-Kurs besuchen. Nach ein paar Basisübungen an der Luftgitarre darf man dann auch mal echtes Holz auf die Bretter hauen!

Erschienen auf brezel.me

Samstag, 27. August 2011

Scheindemokratische Schützengräben

Wenn zwei sich nicht einig werden, dann muss man schlichten. Wenn man so tun will, als ob man die andere Partei verstehen wollte, dann spielt man Schlichtung und sorgt dafür, dass sie zu eigenen Gunsten ausgeht. Wenn nicht, dann nimmt man sie halt nicht ernst. Wenn die anderen den Braten riechen, bringt ihnen das ja nichts, denn wer will schon als unschlichtbar in die Ecke gestellt werden?

Beim Stresstest, dem Ende der Stuttgarter Schlichtung um die Zukunft von Stadt und Bahnhof war das Ergebnis ein Kompromiss, der natürlich sofort von den S21lern abgelehnt wurde, die Schlichtung wurde enttarnt, der Frieden nicht wieder hergestellt. Der Stellungskrieg geht weiter. Die Künstlergruppe Begleitbüro SOUP (Stuttgarter Observatorium für urbane Phänomene) hat das Thema aufgegriffen und in einer Installation ausgedrückt. In mitten des Orts des Geschehens, dem Schlichtungssaal, haben sie einen Denkmalentwurf platziert. Ein Sandsackpyramide, auf der das Streitobjekt wie eine Burg tront: der Stuttgarter Bahnhof. „Ergebt Eucht“ steht auf der Fahne, kein Kompromiss wird akzeptiert, nur Kapitulation.

[vimeo http://vimeo.com/28245358]

Am Montag den 29. August kann man die Installation zwischen 11 und 12 Uhr im vierten Stock des Stuttgarter Rathauses besichtigen.

Ich sehe in der Schlichtung eines von vielen Beispielen von Scheindemokratie, die dem Bürger offene und demokratische Prozesse vorgaukeln sollen, getreu dem Motto: Redet mit, und wenn's uns in den Kram passt, dann hören wir vielleicht sogar zu. Demokratische Feigenblätter gibt es zuhauf. Im Herbst sollen Bürger des ganzen Landes von Lörrach bis Schwäbisch Hall darüber entscheiden, ob Stuttgart einen neuen Bahnhof braucht. Und wenn zu wenige ihren Sonntag im Wahllokal verbringen wollen, gewinnt automatisch der neue Bahnhof. Aber man hat ja gefragt, alles ganz demokratisch. Bürgerbeteiligung ist erwünscht, wenn sie im klar abgesteckten Rahmen stattfindet. Und immer schön unverbindlich bleiben, damit man unerwünschte Ergebnisse unter den Teppich kehren kann.

Eine Frage drängt sich mir auf: Ist es richtig, an scheindemokratischen Prozessen teilzunehmen oder sollte man sie boykottieren? Ganz konkret: Soll man die Volksabstimmung verweigern und riskieren, dass das eigene Anliegen am Ende knapp unterliegt? Wie seht ihr das?

Alles was ich machen kann, ist wachbleiben und vor der einlullenden Wirkung unserer Scheindemokratie zu warnen, denn es ist bequem, sich dieser Lebenslüge hinzugeben. Viel zu viele nutzen sie als Alibi dafür, ihre kritische Haltung preiszugeben und vor der Macht eines veralteten Systems zu kapitulieren. Unsere lokale Presse hat alle Ansätze, die Geschehnisse kritisch zu betrachten in den Wind geschossen und stellt jene, die sich nicht das Hirn haben zukleistern lassen als schlechte Verlierer hin. Es ist bekannt, dass die Bahn durch Lug und Trug ihr Projekt durchgeboxt hat, aber kaum einer will sich mehr damit beschäftigen, weil dieser Betrug scheindemokratisch legitimiert wurde. Und man will ja nicht auf der Verliererseite stehen.

Bitte, liebe Bürger, bleibt wach! Lasst euch nicht einlullen. Es geht um eueren Lebensraum, um eure Stadt und euer Geld. Ihr müsst euch nicht gleich an Bagger anketten, aber bleibt zumindest kritisch, denn Demokratie lebt von mündigen und wachen Bürgern.

Film, Fotografie oben: Josh von Staudach, Fotografie unten: Andreas Mayer-Brennenstuhl.

Donnerstag, 25. August 2011

Abwrackprämie für's Büro

„Sie kriegen alle 3 Jahre ein neues Auto. Warum nicht ein neues Büro?“ – so sollen Büroflächen im unlängst hochgezogenem Kasten am Marienplatz in Stuttgart verhökert werden. Eine Frage, die noch mehr Fragen aufwirft: Welches neue Auto? Ich hab noch keins bekommen. Wo bekommt man das? Naja, vielleicht werden die nur an Bürohengste verteilt. Und was geschieht mit den alten Autos? Abwrackprämie? Autos scheinen Modeartikel geworden zu sein, die nach drei Jahren das traurige Schicksal des stylische Out ereilt. Und die alten Büros? Wenn ich mir das rege Treiben der Stuttgarter Abrissbirnen so anschaue, überkommt mich da ein mulmiges Gefühl. Wo einst in der Stadt betagte Gebäude standen sind derzeit überall Löcher, aus denen bald neue Büros sprießen sollen. Über den kommenden Look unserer Stadt gibt folgende Seite Aufschluss: http://stuttgart-baut.de/bauprojekte.cgi

Ich bin jetzt ja auch seit drei Jahren in meinem Büro. Lauf ich jetzt Gefahr, ins modische Abseits zu rutschen? Werden meine Besucher die Nase rümpfen? Die kann's sich wohl nicht leisten und sitzt immer noch in dieser alten Bude rum, werden sie hinter meinem Rücken tuscheln. Wenn ich up to date bleiben will, muss ich wohl in eine der glänzenden, neuen Immobilien ziehen. Vielleicht krieg ich dann auch ein neues Auto.

Dienstag, 26. Juli 2011

Dora 3 für guten Zweck



Nicht alle Autos des Teams Dora Asemwald Racing haben die Reise in den Orient geschafft, wie man ja auch auf dora-asemwald-racing.de lesen kann. Eine sehr abenteuerliche Geschichte führte Dora 3 zurück nach Stuttgart. Da ja alles einem guten Zweck dienen soll und wir ohne Happy End unser Glück nicht finden, versteigern wir das Rallye-Fahrzeug für einen guten Zweck: Der Erlös geht an die Ärzte ohne Grenzen.

Der 20 Jahre alte W124 260E kann nur noch durch Kurzschluss gestartet werden, was aber für authentisches Rallye-Feeling sorgt. Steigert mit für den guten Zweck:

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=160625936202#ht_500wt_1110

Blindgeschlichtet

Der Streit um den Stuttgarter Bahnhof geht in immer neue Runden – und mir auf die Nerven. Wie viel Gleis braucht ein Erdbahnhof um „wirtschaftlich optimale Betriebsqualität“ zu haben? Schlichter, Stresstester, Politiker, Journalisten, Kritiker und ein Haufen anderer selbsternannter Bahnexperten hauen sich mit diesem Mumpitz die Schädel ein. Vor lauter Rumgeschlichte und Stressgeteste geht die grundsätzliche Frage unter: Wer soll den ganzen Firlefanz eigentlich bezahlen? Auch wenn der neue Bahnhof 30% höhere Leistung (als was?) hätte, ist das die unzähligen Milliarden wert? Und wie unzählig diese Milliarden sind, ist ja auch noch nicht klar. Mittlerweile wissen wir schwarz auf weiß, wie uns die Bahn bei den Kosten über den Tisch gezogen hat. Konsequenzen? Keine. Ist wohl üblich so bei Großprojekten. Hach was, sind ja nur Steuergelder. Hauptsache erst mal los bauen! Wo Bagger rollen ist Zukunft! Und wenn die Kosten steigen: Salamitaktik. Die „Wahrheit“ Rädchen für Rädchen von der großen Lügenwurst abschneiden. Kennt man ja, Frösche kocht man langsam. Und wenn das Geld ausgeht? Dann sind die Verantwortlichen von damals schuldig, aber nicht mehr zur Rechenschaft zu ziehen. Pech gehabt, dann liegt er schon, der halbe Bahnhof, da kann man nicht mehr zurück. Und ja, die Verträge, die Verträge... .

Sollen sich die Gegner ruhig mit der Schlichtung rumschlagen, denken sich die Demagogen der Bahn. Wenn es ums Durchmauscheln von Gutachten und Gegengutachten geht, sind sie eh überlegen. Und so lange sie über betriebliche Qualität streiten, ist auch die Presse abgelenkt. Die kann die neuesten Gerüchte aus der Stresswelt verbreiten und verkünden, dass der Bahnhof alles erfüllt und von allen gewollt wird, wie irgendwelche Umfragen im Land ergeben. Mal ganz ehrlich: Was interessiert ein Aalener, ein Sigmaringer oder ein Lörracher ob Stuttgart für ein Zukunftsprojekt mit abgelaufenem Verfallsdatum Milliarden verbratzt? Die Rechnung bezahlen sie ja nur indirekt, die Baustelle bekommen sie nie zu sehen oder spüren, und wenn was schief geht sind sie weit weg. Also spielt man mal schön Demokratie, befragt alle die es eh nichts angeht und sichert alles durch ein Quorum von 30% ab. Genug Geschichten, die die Pressekanäle verstopfen, um davon abzulenken, dass die Planung auf erlogener und betrogener Basis rumeiert. Müsste sich jeder, der für S21 stimmt, direkt an den Mehrkosten beteiligen, dann wäre der Erdbahnhof tot.

Am Ende von Schlichtung und Volksentscheid werden fast alle einig sein, dass der Bahnhof gewollt und modern ist. Man wird anfangen zu graben, abzureißen, Rohre zu verlegen und sich über die verbliebenen „Wutbürger“ aufregen, die sich nicht haben wegschlichten lassen und versuchen, das Getriebe zu versanden. Wenn dann aber auch nur ein Teil der von der Bahn selbst erkannten Risiken konkret wird und das Geld wie erwartet ausgeht, werden alle verwundert aus der Wäsche schauen. Damit hätte man ja nicht rechnen können, der Bahnhof war doch geschlichtet und „demokraitsch“ legitimiert! Meine Prognose: Bauruine 21 und/oder Haushaltsruine 21.

Warum streiten alle über Stresstest und Volksentscheid, wenn nicht ansatzweise klar ist, was das Ganze kosten soll und wer es bezahlt? Ich will nicht meine Steuergelder von einem Unternehmen verbuddeln lassen, dass die Bürger nachweislich schon einige Male über den Tisch gezogen hat. Die heiligen Verträge, auf die die Bahn stets pocht, sind unter Vorspielung falscher Tatsachen zustande gekommen und somit sittenwidrig. DAS ist das Thema. Wen kümmert es da noch, wie viele Züge unterirdisch jede Stunde abgefertigt werden könnten?

Mittwoch, 20. Juli 2011

Das amerikanische Prüdheitsgebot

Wenn mich die Neugier packt, dann schau ich ab und zu mal wieder in's Labor von Google, dort gibt's immer was zu finden. Ein Haufen experimentelles Zeug liegt da rum und will ausprobiert werden. Manche Sachen verschwinden wieder in der Kiste, andere wie Google Earth kommen groß raus. Nach dem man dort Erde, Mars, Mond und den Himmel erkunden kann, geht's bei der neuesten Erfindung um uns selbst: Google Body macht den Körper gläsern, wie man es von Menschverglasungsexperte Google erwartet. Ob Knochen, Adern oder Organe, man kann detailgenau den Leib so betrachten, wie Gott ihn angeblich geschaffen hat. Oder genauer gesagt: Den Amerikaner geschaffen hat – Unterwäsche inklusive.

Google muss sich herkunftsbedingt ans amerikanische Prüdheitsgebot halten. Darum sind gewisse Bereiche der menschlichen Haut weiterhin Terra Incognita im anatomischen Atlas. Mein Vorschlag an die Datenkrake mit dem Plus: Fragt doch vorher ab, wer da dem virtuellen Leib auf den Pelz rücken will. So kann man uns moralisch degenerierten Europäern auch mal einen nackten Arsch zumuten, in anderen Regionen gibt's dann noch die Burka dazu.

Oder verpasst eurem Männchen / Mädel wenigsten ein bisschen schönere Unterwäsche. Dann gibt's auch ein +1 von mir.

Montag, 18. Juli 2011

Urschreitherapie für Marienplatz-Lohas


Was ein ordentlicher Stadtteil Stuttgarts sein will, feiert im Sommer. Altgediente Stadtteilfeste wie das Bohnenviertelfest vermitteln mittlerweile das Lebensgefühl eingedoster Sardinen. Da lob ich mir jene Feste, deren Existenz außerhalb des Kessels noch nicht bekannt ist. So das „Süd-Seh-Perlen“-Fest, dass mittels Wortspiel dazu einlädt, den Süden – genauer Heslach – zu sehen. Und zu hören, wie auf dem Marienplatz. Den ganzen Tag hör ich schon das wummern entfernter Musik und beschließe, dem auf den Grund zu gehen. Doch an Stelle von Stadtfest-tauglichen JazzRockFunkSoul-Coverversionen dringt Geschredder und Gegrunze in mein Ohr! Kralle, Heinze und Sevi (v.l.n.r.) stehen auf der Bühne und spielen waschechten Todesmetall. Etwas unüblich für das Genre: Man kann den Bandnamen auf dem Banner hinter dem Schlagzeug entziffern. Exitus nennt sich die Stuttgarter Band.



Vor der Bühne verlieren sich eine Hand voll Freizeitsatanisten, die besetzten Bierbänke stehen auf der weiten, kahlen Ebene des Marienplatzes etwas verloren in der Gegend rum. „Grunz, Grunz, Röööööar, Gruuunz!“ oder so ähnlich lauten die Texte, die durch das Trommelgewitter durchdringen und laden dazu ein, mit zu grunzen. Urschreitherapie für Marienplatz-Lohas. Kurz vor dem Ende künden sie noch ein Liebeslied an: Dominanz, so der Titel des Songs, der auch nicht lieblicher klingt als der Rest. Aber was weiß ich schon über Paarungsrituale von Todesmetallern. Wer sich ab und zu mal den inneren Satan mit dem Belzebub austreiben will, wird seine Freude an der Band haben. Das fachkundige Publikum schien angetan zu sein.

Noch ein bisschen Schlaugemeier:
Das ganze nennt sich „Bunker-Rock“, was daran liegt, dass die Bands, die auftreten, ihren Proberaum in Stuttgarter Bunkern haben oder hatten. Unter dem Marienplatz befindet sich ein Tiefbunker, der 1944 nach den schweren Bombenangriffen auf den damaligen Platz der SA 500 Menschen Schutz bot. Nach dem Krieg betrieb dort die Caritas ein Hospitz.

16. Juli 2011

Erschienen auf brezel.me

Quellen (damit ich nicht meinen nichtgehabten Doktor zurückgeben muss):
Stuttgarter Schutzbauten e.V.
Geschichtsspuren.de
Forschungsgruppe Untertage e.V.

Exitus auf Facebook
Exitus auf Reverbnation

Montag, 11. Juli 2011

Dora+



Liebes Tagebuch,

mein Vorhaben des täglichen Bloggens ist mal voll in die Hose oder den Rock gegangen, was mich aber nicht davon abhält, mir das selbe nochmals vor zu nehmen und wieder daran zu scheitern. Ich bin dir ehrlich gesagt ein bisschen untreu geworden, habe meinen zweiten Blog mal ordentlich befüllt. Da gibt es zwar nur Links zu klicken, die musste ich aber erst mal alle entdecken.

Auch Google+ hat mich beschäftigt. Nicht alle Tage entstehen neue virtuelle Lebensräume, da will ich Pionierin sein. Brauchen wir überhaupt noch eine Plattform neben Facebook? Und dann auch noch eine von der Krake Google? Ich behaupte: JA!

Warum? Ganz einfach: Konkurrenz belebt das Geschäft und schützt vor dem größten Übel, der Bildung eines Monopols. Die Verfacebookung des Internets hat dafür gesorgt, dass immer größere Bereiche des Onlinelebens auf eine geschlossene Plattform in privater Hand wandern. Das Internet ist die Schattenwelt der Daten. Wer sie kontrolliert, kontrolliert irgendwann auch die materielle Welt. Facebook hat mittlerweile eine Größe erreicht die es Konkurrenten fast unmöglich macht, ein konkurrenzfähiges Produkt dagegen zu stellen. Die einzigen, die dazu in der Lage sind, sind Google.

Dummerweise haben sie bislang all ihre Versuche in diesem Bereich ordentlich in den Sand gesetzt. Ihr letzter Versuch, Buzz, sah so aus, als ob ein Haufen soziopathischer Vollnerds das technisch Machbare krude zusammengeschraubt und den Bestandskunden ungefragt aufgepfropft haben. Falls ihr's verdrängt habt: Google hat allen gmail-Nutzern automatisch ein Profil aus den bekannten Daten verpasst und die Freunde aus dem Adressbuch des Mailprogramms generiert. Noch am ersten Tag musste Google die Plattform grundlegend umbauen, was natürlich auch nichts mehr retten konnte.

Entsprechend skeptisch war ich bei ihrem nächsten Versuch. Doch diesmal haben sie wohl etwas dazugelernt und nicht auf die soziale Kompetenz der ITler gesetzt, die sie sich in Programmiererbatterien in ihren unendlichen Katakomben halten. In der Verwaltung von Kontakten haben sie es sogar geschafft, auf Anhieb Facebook ordentlich was entgegen zu stellen. Zugegeben, sie haben dabei ein bisschen bei Twitter gespickelt. Man muss nicht mehr entscheiden, wen man alles im facebookschen Sinne befreunden möchte, sondern kann entscheiden, wessen Senf einem schmeckt und dem dann entsprechend folgen. Man erstellt einfach sogenannte Kreise, die man andere Nutzer zieht. Man kann dann auch ganz einfach entscheiden, wer was zu lesen bekommt. So muss ich nicht meine auswärtigen Freunde mit Geschichten über den Stuttgarter Erdbahnhof nerven. Ebenso werde ich in Kreise anderer gezogen, die sich für mein Treiben interessieren. Am besten ihr schaut euch das mal selbst an. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie sich das Ganze entwickelt.

Mein erster Eindruck ist, dass Google+ ein großartiger Kanal zu Verbreiten von Informationen wird, im Bereich soziale Kontaktpflege wird es jedoch Facebook nicht ablösen. Wahrscheinlich wird es auf Dauer beides geben. Wer drunter leiden könnte, ist Twitter.

Wenn ihr auch bei Google+ seid, dann könnt ihr mich ja gerne einkreisen. Ich würde mich freuen! Lasst uns gemeinsam das Plusuniversum ergründen.

https://plus.google.com/106319721920405044692

Und hier noch mein zweiter Blog:

http://doralaetitia.tumblr.com/

 

 

Samstag, 25. Juni 2011

Knarre im Hosenbund



Im Anschluss einer Demo stürzen ein paar aufgebrachte Demonstranten einen Bauzaun ein und stürmen eine Baustelle. Viele folgen ihnen und besetzen den Ort. Einige Leute entdecken den Vandalen in sich und machen Randale. Plötzlich rennt einer mit einer Knarre im Hosenbund durch die Gegend! Ein paar Leute versuchen den Burschen aufzuhalten, fordern ihn auf die Waffe abzulegen, es wird gerangelt.

Wäre es ein bewaffneter Autonomer gewesen, der mit seiner Waffe ein Blutbad hätte anrichten können, dann wären jene, die sich ihm in den Weg gestellt hatten civilcouragierte Helden gewesen. Zum Glück war es kein amoklaufender Psychopath, sondern ein Zivilpolizist, der als solcher dann auch erkannt wurde. Weniger Glück für jene, die versuchten ihn aufzuhalten. Ihnen droht eine Anklage wegen versuchtem Totschlag.

In all der aufgeheizten Diskussion über die Besetzung des Grundwasser-Management für die Baustelle von Stuttgart 21 geht die Frage unter, wieso ein bewaffneter Zivilpolizist sich unter die Besetzer und Randalierer mischt. Mir machen Menschen Angst, die mit Waffen rumrennen, ohne dass ich erkennen kann, dass sie Polizisten sind. Ich kann ja nicht davon ausgehen, dass jeder, der eine Waffe trägt, ein Polizist ist. Leider wird jeder Versuch, das Geschehene zu hinterfragen, als Bagatellisierung der durchaus bescheuerten Besetzung inclusive Vandalismus ausgelegt. Und so werden wichtige Fragen von der Presse der Polarisierung geopfert. Denn nur weil die Vandalen im Unrecht sind, rechtfertigt das nicht das Verhalten anderer.

Nachtrag: 
Mein nächsten Mal nicht provozieren lassen, einfach zu den uniformierten Freunden und Helfern gehen und panisch berichten, dass da so ein Verrückter mit ner Knarre durch die Gegend rennt.







Und noch ein Nachtrag zum Video:
Der Freund und Helfer in Lederjacke wurde angeblich vor dem Filmausschnitt von ein paar Leuten vermöbelt, was natürlich überhaupt nicht in Ordnung wäre, egal ob Zivilpolizist oder Demonstrant. Ich war nicht dabei, hab's nicht gesehen und kann kein Urteil abgeben. Andere, die vor Ort waren, haben aber auch nicht alles gesehen. Drum sag ich einfach mal: Knarren im Hosenbund sind keine gute Idee.

Montag, 20. Juni 2011

Ökoautos unerwünscht!



Als bekennende Naherholerin hab ich mich mal wieder auf mein fahrbaren Untersatz geschwungen und bin losgezogen. Mein Ziel: Der Katzenbacher Hof, ein beliebter Biergarten unweit des Bärensees, um den sich Kollege Köhler so gerne quält. Kurz vor dem Ziel – der Duft der Roten Wurst lag schon in der Luft – kam der jähe Stopper: Mein Fahrzeug war nicht erwünscht! Jetzt bin in extra wegen der berüchtigten Parkplatzsituation in meiner Heimat, dem Stuttgarter Süden, auf das beliebte rote Ökomobil (kein CO2, kein Atomstrom, nachhaltiges Mobilitätskonzept, usw.) umgestiegen und sollte das jetzt dort einfach stehen lassen. Nicht mal einen entsprechenden Parkplatz haben sie geboten. Dann bin ich halt doch zum Bärenschlössle gefahren, wo mein Fahrzeug und ich noch willkommen waren.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Oxymoron prêt à porter

Das virtuelle Dasein hat auch seine Vorzüge: Ich kann alle Klamotten tragen, die mein Zeichner zeichnen kann. Jedes Stück ist ein Unikat. Bei Mode für greifbare Menschen geht das auch, ist aber teuer. Individualisierte Massenfertigung ist nicht nur ein Oxymoron, es ist ein Thema, an dem Designer schon seit längerem rumtüfteln. Damit es zukunftsträchtiger klingt, nennen sie es Mass Customization. Die ersten Ansätze kann man bei den unzähligen Konfiguratoren im Internet sehen, wie zum Beispiel bei Autos oder Möbeln. Bei der Mode ist das ganze noch etwas experimenteller – aber experimentell lieb ich ja! Ein schönes Experiment betreiben Jenna Fizel und Mary Haung von Continuum Fashion in New York. Man kann am Bildschirm ein Kleid zeichnen, welches dann in viele kleine Dreiecke zerlegt wird. Diese werden zu Schnittmustern umgerechnet, mit einem Plotter oder Laserschneider zugeschnitten, vernäht und fertig ist das futuristische Kleid.


Der Designer gibt die Parameter und Regeln vor, anhand derer der Kunde etwas gestalten kann. Das Ergebnis ist individuell, spricht aber trotzdem die gleiche Formsprache. Designern, die alles bis ins Detail gestalten wollen, jagt das Angst ein.


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Es ist jedoch eine große Herausforderung, einen Teil der Kontrolle über die Gestaltung abzugeben. Es entspricht auch der Identitätsfindung des Trägers, der einerseits sich über seine Kleidung mit seinem Umfeld identifizieren, andererseits sich jedoch auch individualisieren will.


[vimeo http://vimeo.com/17253049]


Nicht so individuell, dafür aber in seiner Herstellung futuristisch: Der N21 Bikini. Er wird komplett mit einem 3D-Drucker gefertigt. Das massive Nylon 12, aus dem er erstellt wird, ist belastbar und flexibel. Durch das Druckverfahren können so Strukturen gefertigt werden, die man mit herkömmlichem Garn nie schaffen könnte.


Der Bikini kann bei shapeways.com angefertigt werden, ist aber leider noch recht teuer. Individuelle Produktion ist eine schlaue Sache. Man muss nicht mehr Mode auf Halde produzieren und alle Größen vorrätig halten, sondern kann nach Bedarf einzelne Stücke herstellen. Ich will ja nicht wissen, wie viel unverkaufte Kleidung jedes Jahr in den Müll gehen. Neben geringerem Rohstoffverbrauch ist ein weiterer Vorteil, dass Waren nicht mehr in großen Fabriken zentral gefertigt werden müssen, sondern kleine lokale „Manufakturen“ in der Lage sind, auf Abruf zu produzieren und zu liefern. Das hält Transportwege kurz, verringert Lagerkosten und bedarf keiner Kinderarbeit.


Diese Konzepte sind noch lange nicht ausgereift, aber es steckt sehr großes Potenzial darin. Und in diesem Fall sehen sie auch noch verdammt heiß aus! Und zum Glück kann ich mich einfach in die Klamotten rein malen lassen.


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[vimeo http://vimeo.com/24435512]


(Fotograf: Ariel Efron, Modell: Bojana Draskovic, teilweise dorifiziert)