Sonntag, 21. Oktober 2012

Nein zur Demo-Maut!



Kürzlich habe ich auf meiner Pinwand in Facebook einfach mal behauptet, der Stuttgarter OB-Kandidat Turner wolle eine Demo-Maut von 6,10 € einführen. Kann man ja mal dreist behaupten – Behaupten ist ja schrecklich en vogue, zumindest was Turners eigenen Wahlkampf angeht. Ein Kommentator meiner Behauptung mochte die Idee, er forderte die Maut für „Demonstranten welche sich im Geschäft krank melden ohne Grund und keine echte Meinung zu dem Thema der Demonstration haben!!!“. Da wir unsere plutokratische Grundordnung vor Bürgerwillkür schützen müssen, plädiere ich für die Schaffung der Demokratie-Maut!

  • Demo-Maut: € 6,10. Zuschlag für Plakat: € 12,20, Trillerpfeife: € 15,40, Vuvuzela: € 32,60,  Schwabenstreich: €3,20 Zuschlag. Montagszuschlag:60%

  • Infoblätter auf Demos: € 12,30 pro aufgelistetem Fakt. Haltlose und erlogene Fakten sind von der Maut befreit.

  • Wahlkampf-Maut: € 610,– pro Behauptung. Hanebüchene Behauptungen sind um  bis zu 80% reduziert. Instrumentalisierte Kinder geben 30% Rabatt. Verwendung lokaler Backwarenspezialitäten auf Werbemitteln: 20% Rabatt.

  • Die Freistellung von der Maut für wirtschaftsrelevante Kandidaten ist ja wohl selbstverständlich!

  • €12,80 Sozialromantiker-, Öko-Spinner- und Gutmenschen-Maut

  • Sinnlose Forderungen wie Brandschutzkonzepte, Baugenehmigungen, Einhaltung von Kostenrahmen werden mit € 6.100,– Fortschrittsfeindlichkeits-Maut belegt.

  • € 61,– Bürgerbeteiligungs-Maut

  • Wahlmaut: je weiter unten das Kreuzchen, desto teurer wird's


Nette Zusammenfassung Turners Wahlkampfaussagen gibt's in der Stuttgarter Zeitung: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgarter-ob-wahl-streit-um-city-maut-und-parkgebuehren.811878d2-61e8-40cb-b1f5-da5c54af2aa5.html.  Meisterhaft in Behaupten hanebüchener Theorien, da kann selbst ich mir eine Scheibe von abschneiden: http://www.keinecitymaut.de/

Samstag, 20. Oktober 2012

Mahlzeit!

In der Kantine von Disneyland ...

Apropos Kantine, die die innerbetriebliche Aufnahme von mittäglichen Nahrungsmittel spaltet die Angestellten in zwei unvereinbare Lager: Jene, die den außerhalb der Arbeitswelt unbekannten Gruß „Mahlzeit!“ um sich werfen, und jene, die sich fürchterlich darüber echauffieren und schlaumeierisce Repliken auf Lager haben, die ich hier nicht beschreiben will. Wer's nicht kennt, sollte sich mal in irgendeiner Kantine unter die Arbeiter stellen und Feldforschung betreiben.

Als alte Rebellin setz ich mich mal in den unbevölkerten Raum zwischen den Stühlen, sage  nicht Mahlzeit, finde es aber voll okay, wenn's andere tun.

Freitag, 19. Oktober 2012

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Stummer Schwimmer im Wohnzimmer



Konzerttipp für heute: Guy Dale. Ein Mann, eine Gitarre. Und tonnenweise Ausstrahlung. Heute Abend führt ihn seine endlos scheinende Tour durch Europa in den Ausschank Ost.  Klare Ansage: Hingehen! Ich könnte hier jetzt Megabytes an Musikjournalistengeschwurbel verbreiten, mal angesehen davon dass ich keine Ahnung hab, wo man Guy auf der endlosen Karte der Musik einordnen solle, drum folge ich der alten Weisheit: Ein Youtube-Video sagt mehr als 1000 Worte. Aber bei weitem nicht so viel, wie es live zu erleben.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=2eksDkgMNOU]



Vorgestern hat Guy übrigens bei einem Freund im Wohnzimmer gespielt und die Gäste in schweigsame Ehrfurcht versetzt. Jedes seiner von wilden bis entspannten Lieder durchlebte er auf der „Bühne“ und zog damit alle in seinen Bann. Da kam mir nur ein englisches Wort in den Sinn, dass sich nicht adäquat übersetzen lässt: intense. Das Konzert war mal so richtig unplugged, selbst das Licht kam ganz oldschoolig aus der Kerze. Der Ausschank Ost verspricht ähnlichen Wohnzimmercharakter, wenngleich mit wilderer Tapete.

Es lohnt sich übrigens auch, den Texten zuzuhören, die sind schlau. Packt die Gelegenheit und lernt Guy kennen, ein durchaus interessanter und sympathischer Bursche, der was  zu erzählen hat, und richtet ihm Grüße von mir aus!

Wer heute keine Zeit hat, kann ja mal im Netz schauen:

http://www.guydale.com/
https://www.facebook.com/muteswimmer
http://www.myspace.com/guydale

[youtube=http://youtu.be/JO2DPDoHfLA]

Samstag, 13. Oktober 2012

Turners wutbürgerliche Wahlhelfer



Vor dem Stuttgarter Rathaus drängen sich die Leute. Ein Meer aus Plakaten und Protestschildern flutet den Marktplatz. Vor der dort aufgerichteten Bühne sitzen im abgesperrten Bereich Mitglieder der altkonservativen Parteien und warten. Plötzlich dröhnen wilde Rhythmen über den Platz, ein Konzert aus Trillerpfeifen und Gebrüll versucht dagegen anzustinken, als sich die Menge teilt und der „Star“ des Nachmittags in schwerem Geleit durch die Menge zur Bühne schreitet: Mutti kommt! Angela Merkel unterstützt den parteilosen OB-Kandidaten Sebastian Turner in seinem Wahlkampf. Wie die Prognosen stehen, droht die erste Landeshauptstadt in die Hand eines Grünen zu fallen, und dass nachdem sie schon den Ministerpräsidenten stellen. Aus CDU-Sicht ein Gau, bei dem Mutti persönlich eingreifen muss. Es fängt an, wie aus Eimern zu schütten, Schirme verdecken jegliche Sicht auf die Bühne, als jemand anfängt zu reden. Um mich herum wird gelärmt (Lügenpack! Lügenpack!), sodass ich auch nicht hören kann, wer da was von sich gibt. Die Stimmung ist verbittert und aggressiv, die letzten Nachrichten über den Bau des Erdbahnhofs sind Thema vieler Plakat: Zugentgleisungen und ein nicht erfülltes Brandschutzkonzept, was seit der Schlichtung eigentlich niemanden überraschen sollte.







Ich suche einen besseren Platz um zu verstehen, was da vorne passiert. Turner hat das Mikrophon ergriffen und redet mit lauter Stimme gegen den Lärm an. Nach dem üblichen Geschwalle über die Wichtigkeit der Bildung als Zukunftsweg, die wohl jeder Kandidat in seinem Programm stehen hat, aber trotzdem keiner in die Hand nimmt, schießt er sich auf Kuhn ein, dem er unterstellt, mit der Citymaut dem Bürger an die Freiheit und an's Portemonnaie zu gehen. Eins ist klar: Sein Wahlkampf hat den Namen Kampf verdient. Er baut auf die Furcht der Leute, ein Grüner würde Stuttgarts Wirtschaft und somit Wohlstand und Arbeitsplätze ruinieren und die Freiheit der Bürger eindosen. Wahlkämpfe, bei denen Furcht vor den anderen geschürt wird, sind mir zuwider.

Merkel übernimmt. Ihre etwas leisere Stimme geht wieder im Lärm unter, ich verstehe bruchstückhaft etwas von Zukunftstauglichkeit, Bahnprojekt, Wirtschaft und so. Am Ende erklingt die deutsche Nationalhymne, um zu unterstreichen, dass sich hier niemand geringeres als DIE Bundeskanzlerin für Turner ausgesprochen hat. Ende der Veranstaltung. Die einen packen ihre Transparente ein, die anderen empören sich über die Schande für Stuttgart, die Kanzlerin in dieser Form empfangen zu haben.

Für Turner scheint es ein gelungener Tag. Das Schreckgespenst der renitenten Wutbürger, die die Zukunft der Stadt sabotieren wollen, hat sich selbst an die Wand gemalt. Die Medien berichten über die Protestbewegung, die nicht bereit ist zuzuhören und ihrer Wut freien Lauf lässt. Das bringt die Stimmen jener, die von der Protestkultur die Nase voll haben.

„Der haben wir gezeigt, dass sie in Stuttgart nicht willkommen ist!“, sagt ein anderer Marktplatzbesucher zu mir. Ich frage mich, was das bringt? Ausgebuht werden gehört zum täglichen Programm in ihrer Position. Müssen wir ihr (oder vielleicht auch uns selbst) vor Augen führen, dass es immer noch Demonstranten in Stuttgart gibt? Wenn es etwas gibt, was sie wirklich trifft, dann ist es das Wahlergebnis von Turner, der kaum Aussichten hat, die grüne Gefahr zu bannen.

Mir war von vornherein klar, dass es sich viele nicht entgehen lassen, der Kanzlerin mal persönlich die – bestimmt durchaus berechtigte – Wut ins Gesicht zu brüllen, doch denke ich dabei auch an das Bild, dass wir Bahnhofsgegner dabei abgegeben haben. Es ist absolut okay, eine miese Rede mit Buh-Rufen statt Beifall zu quittieren, aber man sollte schon dem zuhören, was man verurteilt. Diesen Respekt sollte man auch seinem politischen Gegner zollen. Wie können wir die mangelnde Dialogbereitschaft der Regierung anprangern, wenn wir selbst alles niederbrüllen? Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn die Sympathien der Bevölkerung für die Protestbewegung durch solches Verhalten weiter schwinden. Das wollte Turner, und das hat ihm sein Publikum willfährig erfüllt. Der „Widerstand“ darf sich nicht unfreiwillig zum Wahlhelfer Turners machen. Auch wenn es verdammt gut tun mag, mal die Sau raus zu lassen. Protest ist kein Selbstzweck, er sollte einer Sache dienen. In diesem Fall hat er Turner gedient.

Kurzer Einwurf: Ich möchte mal darauf hinweisen, dass das dort geballte Wutbürgertum nicht repräsentativ für alle Bahnhofsgegner und Turner-Kritiker steht, auch wenn die Medien dieses Bild zeichnen werden.

Mir hätte es besser gefallen, hätten Turner und Merkel in Ruhe ihre Reden halten können. In seine Angriffe auf Kuhn wirkt Turner unsouverän. Wer wirklich was auf dem Kasten hat, muss sich nicht über das Abwerten anderer positionieren. Sein aggressiver Wahlkampfstil schreckt mich ab. Dass er jetzt den Bahnhofsstreit für seinen Wahlkampf instrumentalisiert  (gegen grüne Verschleppung und Mehrkosten ...), widerspricht seiner Ansage, den „Krieg“ in der Stadt beenden zu wollen. Noch besser hätte mir gefallen, Frau Merkel hätte allein vor den geladenen Gästen geredet und der Platz wäre ansonsten leer gewesen.

Am Sonntag in einer Woche wird Stuttgart zeigen, ob sein Wahlkampf aufgegangen sein wird. Insgesamt war die Veranstaltung so hässlich wie das Wetter, für Muttis Gäste wie für die Protestbewegung.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Stoppt die grüne Gefahr!



Der Wahlkampf um den Oberbürgermeisterposten in Stuttgart geht in die heiße Phase! Die einen wollen Sebastian Turner verhindern, die anderen Fritz Kuhn. Nicht nur die Kanzlerin schlägt sich jetzt auf die Seite des Berliner Werbers, sondern auch „Mausi“, so behauptet es jedenfalls die Facebook-Seite „Koin Kuhn“, die sich der politischen Argumentation gegen die grüne Gefahr verschrieben hat. Hier noch ein paar Beispiele, die vor Augen führen, was die „Initiative gegen einen grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn in Stuttgart.“ zum politischen Diskurs beiträgt.



[caption id="attachment_7684" align="aligncenter" width="278"] „Wir brauchen in Stuttgart keinen grünen Verbotsmeister als OB, der alles verzögert, überall klagt, überall klugscheißt.
Infrastrukturprojekte ausbremst oder verhindert.
Bewahren des Status Quo durch die subtile Sandstreumechanik der Grünen, die alles verlangsamen und KOSTEN
produzieren, die allen nach dem Mund reden nur nicht den wirklichen Zukunftschancen Gehör verschaffen.
Den anderen immer den moralischen Zeigefinger vor die Nase strecken, und sich an der gedeihlichen Entwicklung Stuttgarts vergehen.
Das alles schafft Grün. Da sind sie sehr erfolgreich.
Deshalb KOIN KUHN!“[/caption]

[caption id="attachment_7683" align="aligncenter" width="500"] „Mobilität und Autofahren a la Fritz Kuhn...
Das MUSS verhindert werden!
KOIN KUHN!“[/caption]

PS: Leider musste ich Mausi verpixeln, aber nach der Abmahnung eines Pro-S21-Hemdchen-Verkäufers ob seiner Unverpixeltheit bin ich vorsichtig geworden.

Turnergegner lassen sich aber auch nicht lumpen, wenn's um den Einsatz blanker Haut für politische Zwecke geht. Ich merk schon, es wird spannend!

Über Anti-Turnersche Agitation schreibt auch Bild, beherzigt dabei jedoch nicht das journalistische Prinzip, beide Seiten darzustellen : http://www.bild.de/regional/stuttgart/buergermeister/schmier-kampagne-gege-turner-26530454.bild.html

[caption id="" align="alignnone" width="457"] Quelle: Bild.de, Foto: dpa, Michael Hahn[/caption]

Was sagen wohl die Kandidaten zu solch wahlkämpferischen Kolateralschäden? Turner überlegt zu klagen, so behauptet er in Bild. Er übersieht dabei vielleicht, dass eben diese Werbung seine Gegner diffamiert. Als Werbeprofi würde ich mich über diese ungewollte Unterstützung freuen. Als Hannes würde mein Gesicht die Haarfarbe annehmen. Zum Glück muss ich kein Wahlkampf machen! Wenngleich: Mich würde mal interessieren, mit welchen Argumenten ich verhindert werden sollte ...

Dienstag, 9. Oktober 2012

Mutti kommt!



„Grundeis ist das sich auf dem Grund fließender Gewässer bildende Eis. Es wächst von der Gewässersohle aus in das Wasser hinein und bildet mitunter bizarre Unterwasser-Skulpturen.“ (Wikipedia). Des weiteren gehen dort gern Ärsche drauf. Insbesondere jener der Oldschool-Konservativen, die im Süden Deutschlands schlimmstenfalls mal mit den Sozen koalieren mussten.

Bürgerlich, christlich und konservativ können auch andere: MP Kretschmann erfüllt, was die CDU versprochen und Mappus in die Tonne getreten hat. Um das neue Bürgertum zurückzugewinnen, wurde der parteilose Werber Turner ins Rennen geschickt, der mit rommelscher Weltoffenheit den Krieg um Stuttgart 21 beenden will. Brezelbackend und kinderkuschelnd flutet er die Stadt mit Plakaten. Über 500 Wahlkampftermine bestreitet der Bürger, der Bürgermeister werden will, um den GAU zu verhindern: Nach dem Landtag auch das Rathaus an die Öko-Konservativen zu verlieren. Auch die Totalverbrezelung der Plakatwände half ihm nicht, im ersten Wahlgang die Mehrheit zu holen. Da Bettina Wilhelm das Handtuch geschmissen hat, muss Turner ordentlich Gas geben. Seine Hoffnung: Bei 46,7% Wahlbeteiligung ist noch Luft nach oben für den zweiten Wahlgang am 21. Oktober.

Zu Hilfe eilt die Mutti der Nation: Die Kanzlerin kommt! Am Freitag auf den Marktplatz.  Und macht somit den Wahlkampf zur Chefsache. Der Vorsitzende der baden-württembergischen CDU, Thomas Strobl, malt schon mal seinen persönlichen Teufel an die Wand: „Mit einem Grünen in der Villa Reitzenstein und einem Grünen als Oberbürgermeister im Stuttgarter Rathaus stirbt 'Stuttgart 21'“. Das könnte man auch als Abwahl-Versprechen verstehen. Die Einführung der City-Maut und Grundsteuererhöhung sind weitere Schreckgespenste, die die Grünen längst als „blanken Unsinn“ enttarnt haben. Mal schauen, ob Kuhn alle Autos kompostiert, den Daimler in eine Biogasanlage transformiert und alle Schulen zu Baumschulen umwandelt.

Apropos Furcht und Schrecken: Was mir viel mehr Angst einjagt, sind all die schönen Bauprojekte, bei denen noch mehr leerstehende Bürogebäude für ein fortschrittliches Stadtbild sorgen sollen. Die sind für jene, die sie abschreiben, sicher recht wirtschaftlich. Neue Einkaufszentren ermöglichen tageslichtfreies Shopping für jene Yuppiezombies, die sich die Mieten in den neugeschaffenen Vierteln leisten können. Wirtschaftsnähe mag im Industriegebiet fein sein, die Stadt gehört ihren Bürgern.

Die deutlichste Duftmarke des Angstschweißes rieche ich bei der CDU, die mit Stuttgart den Kern der drittgrößten Metropolregion Deutschlands verliert, und dass nicht an den Altrivalen SPD, sondern an die Grünen, die ihnen auf bürgerlichem Terrain die Wähler abluchsen. Auf dem Land mögen Kirche und CDU noch unangefochten herrschen, aber die Städte vergrünen zunehmend. Kein Wunder, dass Mutti persönlich erscheint, doch das hat bei Mappus schon nicht geholfen.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Roboter und Trim-Dich-Pfade



Diesen Sonntag: OB-Wahl in Stuttgart, erster Wahlgang. Egal ob an Laternenmasten oder in den Medien, der Wahlkampf geht in den Endspurt. Es scheint, es gäbe nur vier Kandidaten: Kuhn, Turner, Wilhelm und Rockenbauch. Genauer gesagt gibt es vier Kandidaten, die Werbebudgets haben. Die restlichen neun gehen unter. Das die Medien Weltkriegsbeschwörern wie Ossenkopp (BüSo) und Komödianten wie Markus Vogt alias Häns Dämpf (Die Partei) nicht so viel Platz einräumen wollen, kann ich ja verstehen. Aber es gibt auch ein paar Übersehene, die es mit ihrem Kandidatentum durchaus ernst meinen, die waschechte Programme haben, die sich nicht hinter denen der „großen Vier“ verstecken müssen. Ich finde es grundsätzlich bekloppt, in welchem Maße Geld demokratische Prozesse lenkt, weshalb ich hier mal den Blick auf den parteilosen Dr. Ralph Schertlen lenke, der nicht durch Dauerbegrinsung vom Straßenrand, sondern durch sein Programm mein Interesse geweckt hat. Seinen handgestrickten Werbemitteln sieht man an, dass hier kein Wahlwerbeprofi am Werk ist, sein Hirnschmalz hat der Kandidat offensichtlich eher in den Inhalt seines Programms gesteckt.







Schwäbisch, bodenständig, ideologiefrei, fortschrittlich und ehrlich, so charakterisiert sich der gebürtige Bad Cannstatter selbst. Klingt nicht gerade glamourös, aber was sagt die alte Schwabenweisheit? Wir können alles außer Glamour. Oder so ähnlich. Als Chef einer Verwaltung mit 20.000 Menschen ist Extravaganz nicht die geforderte Kernkompetenz. Ideologie hat schon Karl Marx als „Gebäude, das zur Verschleierung und damit zur Rechtfertigung der eigentlichen Machtverhältnisse dient“ erkannt, brauchen wir also auch nicht. Fortschrittlich? Hilfe! Gern genutztes Schlagwort zur Verschleierung und Rechtfertigung von Großprojekten. Schertlen ist – urschwäbisch! – Ingenieur, und er erkennt die Bahnhofstieferlegung als Rückschritt, hat dafür viel interessantere Ideen wie die Nord-Ost-Umfahrung Stuttgarts. Wie alle anderen hat er eingesehen, dass unsere Stadt nicht alleine auf die Autoindustrie setzen kann. Er bevorzugt Roboter. Robotik hört sich nach Science Fiction an, ist es aber nicht. Es ist Zukunft. Fortschritt bedeutet für Schertlen bessere Bildung, nicht noch mehr Bagger und Kräne. Als alter Sportvereinsmeier will er den Breitensport fördern, Trimm-Dich-Pfade intakt halten, Turnhallen reparieren und somit was für Körper und Geist der Bürger bieten. Und der Röhre will er eine neue Heimat geben! Keine große Vision, aber eine umsetzbare. Gefällt mir, um's mal in Facebookdeutsch zu sagen.

Was ich richtig klasse finde, ist seine Idee des „1000 Akkuschrauber-Programm“, bei dem Jugendliche gemeinsam sich in ihrem Stadtviertel einbringen können, Skateboard-Rampen bauen und dergleichen. Wenngleich er keine Chance hat, gewählt zu werden (was für alle außer Turner und Kuhn meines Erachtens gilt), fände ich es schön, wenn sein Programm wenigstens mal angeschaut werden würde und die eine oder andere Idee aufgegriffen würde. Demokratie lebt wie gesagt von Vielfalt, Ralph Schertlen liefert ein bislang wenig beachteten Beitrag dazu.

schertlen.de

PS: Hoffentlich steinigen mich jetzt nicht die Kollegen von der Oben-Bleiben-Front, wenn ich über Alternativen zu Hannes Rockenbauch schreibe. In meiner Protestbewegung ist Vielfalt erlaubt, und ich fürchte auch nicht, dass Underdogs wie Schertlen und Loewe dem „Widerstand“ an Schlagkraft rauben. Für mich gilt im ersten Wahlgang: Alles ausser Turner! (und Ossenkopp, der zum Glück keine Chance hat).

Wem schwäbische Sekundärtugenden Angst machen und wer's lieber ein bisschen „alternativ“ haben will, sollte sich Jens Loewe anschauen:

http://www.jens-loewe.de/