Dienstag, 28. Oktober 2008

Neues aus dem Kessel

Ich sitze in der Bütique und hirne so vor mich hin, wie ich wohl meine Galerie verbreiten kann. Die Tür geht auf und ein junger Herr kommt rein. Martin ist Journalist, will über uns für meine Lieblingszeitschrift Lift und für seinen Blog was schreiben. Das lob ich mir. Später schau ich mir den Blog an: www.kessel.tv. Und siehe: Er hat ernst gemacht! Ansonsten kann ich lesen, was in Stuttgart subkulturell und im Nachtleben so alles vor sich geht. Er scheint mit Plattenauflegern per du zu sein, dem Treiben in den Diskotheken aufmerksam zu folgen. Er hat eine Meinung und tut sie auch Kund. Früher habe er ein anzeigenfinanziertes Magazin gemacht, erzählt er, doch jetzt genieße er die Unabhängigkeit des Blogs, denn: Wer keine Werbekunden braucht, darf das Maul aufreissen. Vielleicht hab ich deswegen auch keine. Große Gosche und Reibach scheinen einander auszuschließen. Hoffentlich trügt der Schein. 
Ein weiteres - sympathisches - Feature des Kollegen Blogger: Er virtualisiert sich und betritt so Bilder seines Blogs. Wie man auf dem obigen Bild erkennen kann sorgt er für visuell gute Laune zwischen den etwas ernsthafter dreinschauenden Leuchtwürfelträgern mit frisch geschniegelten Glanzfrisuren. Wie ich seinem Blogeintrag entnehmen kann, handelt es sich hier wohl um Richie, den bösen Beatportbengel und seine Familie. Sie sind der Technobranche zuzuordnen. Meine komplette Unkenntnis dieser Dinge veranlasst mich zur weiteren Recherche, insbesondere da neu kreierte Wörter wie „Beatportbengel“ die dorische Neugier wecken. 
Hoffentlich zeigt Martin auch weiterhin den unterkühlten Technokraten sein fröhliches Gesicht auf www.kessel.tv.
PS: Schöne URL, Respekt.

Wo gemalt wird, fallen Späne


Es ist Freitag Abend, und es ist Durst. Ich gehe in meine Stammbar und treffe die wildeSardorin, Betania.
Sie ist sehr geschäftstüchtig. Tagsüber verkauft sie Mode, abends verdient sich sich ein Zubrot als Körperbemalerin. 

Die Prozedur sieht schmerzhaft aus. 
"Wo gehobelt wird, fallen Späne", teilt sie mir beiläufig mit und stopft ihrem leidenden Kunden den Absatz in den Mund
Nach getaner Arbeit legt sie sich hin und schläft farblich abgestimmt auf dem Zebrasofa ein. Ich bewundere den Oberarm des bärtigen Mannes und verwickel ihn in ein Gespräch. Er heißt Björn und schreibt auch einen Blog: 

Der Bursche scheint mir sympatisch zu sein: Er hat einen Schuhtick. Er kauft mehr Schuhe als die eine oder andere nichtvirtuelle Frau. Seine Lieblingsschuhe hat er auf ein Plakat gesetzt. 

Dienstag, 21. Oktober 2008

Stuttgartnackt

Kultur ist, wenn man trotzdem lacht. Denk ich mir und besuche die jährliche Stuttgarter Kulturnacht, die dieses Jahr in aller Bescheidenheit nur noch Stuttgartnacht heist. Vielleicht schadet es der Kultur ja nicht, wenn sie unangekündigt dann doch noch kommt. Ich beschließe, sie zu suchen. Im Bus fahre ich in das Nordbahnhofgelände wo in alten Hallen und Häusern der kulturelle Untergrund toben soll. In einem halbwegs finsteren und verrauchten Keller stapeln sich Fernseher, man kann seinen eigenen Kopf darin sehen. Die Körper jedoch sind fremd. Mir jedenfalls. Ich schau mir das eine Weile an, da kommen zwei alte Bekannte: Das dynamische Duo, Harald und Martin.
Die beiden halten sich für Künstler, mindestens einer von beiden ist wohl auch einer. Kunst ist ein dehnbarer Begriff. Während Harald schon die eine oder andere Ausstellung mit seinen Bildern bestückt hat, hat Martin immerhin schon mehrere Bilder von mir gemalt und gezeichnet. Also überrede ich Harald, mich zu porträtieren. In Acryl. Auf große Leinwand. Im Gegenzug werde ich das Bild und seine anderen Bilder in meiner Galerie ausstellen, die ich soeben gegründet habe.

Sie heißt: Galerie Dora Asemwald. En ligne: http://www.galerie-dora-asemwald.de/. Martin muss mir noch eine Webseite dafür machen. Das Offlineportal, wo die echten Bilder hängen werden: Heusteigstraße 65, 70180 Stuttgart. Dort ist hinter der Bütique ein ehemaliger Kühlraum, der nun als Galerie dient. Die Vernissage: Freitag, 14. November. Es wird räudige Schnäpse geben.

Auf diesen Bildern: Haraldnackt, von hinten und vorne, bei der Stuttgartnacht.

Noch ein Postskriptum: Wenn man Frisösen Frisörinnen, Masseusen Masseurinnen und Fritösen Fritörinnen nennen soll, dann sollte man das im unteren Bild gezeigte Körperteil bitte auch Mörin nennen.

Auch anwesend: Dagmar, heute sichtbar.

Zettel pflastern meinen Weg.

Samstag, 4. Oktober 2008

Mondaufgang in Fellbach


Es ist Freitag Nachmittag, ich sitze in der Bütique und streite mit Betania über den Zusammenhang zwischen Kaffee-Milch-Mischgetränken und kulturellem Niveau. Eigentlich sind wir einer Meinung, aber ich werde ihr nicht den Gefallen des Eingestehens dieser Tatsache erweisen. Dafür macht das Streiten viel zu viel Spaß. Ich überlasse die Harmoniesucht Martin, dem dritten in unserem Laden. Wie immer, wenn's gerade spannend wird, haut er ab und geht Kaffee im Café nebenan holen. Mit Milch. Wehe er bringt uns keinen mit.

Drei Menschen unseren Alters betreten den Laden, potenzielle Kunden. Wir verwickeln die beiden Jungs und die Dame natürlich sofort in ein Gespräch und finden heraus: Sie sind Musiker, ihre Band tourt durch die Gegend. Die nächsten zwei Abende sollen sie in Fellbach spielen. Wir bedauern sie und verkaufen ihnen Trostklamotten. Einer der beiden Jungs kauft einen Anzug und sieht darin gut aus.

Da wir Kundenbetreuung bei uns ganz groß schreiben versprechen wir unseren Besuch bei einem der beiden Auftritte. Am Samstag fahren wir nach Fellbach. Fellbach ist einer der Orte im Speckgürtel Stuttgarts, die sich in pittoreske Landschaft einfügen, aber nicht als Quellen kulturellen Lebens gelten. Bisweilen findet man in solchen Gegenden trotzdem Oasen der Subkultur, hier jedoch nicht.

Unter der angegebenen Adresse finden wir ein Fachgeschäft für Modesportarten, die zum Knochenbruch verleiten und mit jugendkulturellem Balast überladen sind. Die Atmosphäre ist kühl, das Licht hell, wie es eben zur besseren Warenfeilbietung von Nutzen ist. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass ein Teil der Verkaufsfläche zur Bühne umdekoriert wurde. Verena, Martin und Oli, die Musiker der Band „Moon“, verkabeln Geräte und überprüfen ob die auch alle so funktionieren, wie sie es sollen. Der Veranstalter tut das selbe an seinem kleinen Mischpult, den er seitlich der Bühne aufgebaut hat. 

Weiter hinten im Raum, um die Ecke, befindet sich ein rauchgefüllter Glaskasten in dem sich eine Bar mit ein paar jugendlichen Trinkern befindet. Die Einrichtung orientiert sich am minimalistischen Chic metropoler Lounges der frühen Nullerjahre und wirkt im missglückten Versuch umso provinzieller. Für Fellbach geht das aber in Ordnung.

Publikum gibt es keins. Nun gut, wir sind ja da. Am Vorabend war erst recht kein Publikum da, nicht einmal wir – eine Situation, die Bands sonst nur aus Proberäumen kennen. Das Publikum habe sich im Raucherabteil um die Ecke versteckt, war somit eigentlich kein Publikum, erzählt mir Sängerin Verena. Die Musik, die der Wirt in der Bar laufen lässt, ist mir zum Glück unbekannt. Ich scheine zu alt und urban zu sein, um mich mit so etwas auszukennen. Da ich im Vorfeld schon bei MySpace gespickelt habe welche Musik Moon spielt, war mir bewusst, dass Publikum und Bühne hier mehr als nur die Antirauchglasscheibe trennt. 

Bevor die Band loslegt gesellen sich noch ein paar Nichtraucher in Sichtweite der Bühne. Sie rücken mehrere Tische zusammen und bestellen Weizenbier, nehmen die Band zur Kenntnis und in Kauf. Außer uns Vieren, Sonja, Betania, Martin und ich, sitzen noch zwei junge Männer an der Nichtrauchertheke. Die Band fängt an zu spielen. Die Lautstärke ist moderat genug um den Weizenbiergenuss nicht zu beeinträchtigen. 

Lieber Leser, jetzt bitte hier draufklicken: http://www.myspace.com/moonac und zuhören.

Wir genießen das Privatkonzert, zuerst im Sitzen, dann tanzend. Im „Phoenix“ in Fellbach braucht man Blamage nicht zu fürchten, wir haben Spaß. Ein paar von der Band verteilte selbstleuchtende Stäbchen werden auch vom Weizenbiertisch angenommen. Fasziniert vom magischen Licht sind sie weiterhin abgelenkt. 

Es werden Zugaben gespielt, wird abgebaut und abgehauen. Wir beschließen, die Band mit nach Stuttgart zu nehmen. 

Wir gehen ins „Erdgeschoss“, einer Kneipe an der berüchtigten „Partymeile“ Stuttgarts, der Theodor-Heuss-Straße. Zum Glück hat dieses nette Lokal nichts mit eben jener Straße zu tun, die Samstagabends Ausflugziel der Jugend umliegender Gemeinden ist, die nicht im Phoenix hängen geblieben sind. Die Wirtin und ihr Freund sind nette Kunden der Bütique, wir sind Kunden bei ihnen. Valentin, auch Bütiquekunde und Philosophiestudent legt die richtige Musik auf und spielt später noch gekonnt Klavier. Das nächste Mal spielen Moon in Stuttgart, nicht in Fellbach, beschließen wir und laden sie auf ein baldiges Wiederkommen ein. 

Hier die Geschichte aus anderer Perspektive:

Weizenbier und Snowboards:

Die Band bei MySpace: