Letzte Woche war so einiges los. Auf einem Symposium (Innovationsforum 10) für Social Media wurde ein Vortrag über mich gehalten (Die Diashow zum Vortrag kann man dort runderladen: www.innovationsforum10.de, getwittert wurde auch: #if10) . Meine Lebensgeschichte war das Thema, oder genauer gesagt der Teil meines Lebens welches ich als virtuelle Figur seit meinem Erscheinen vor fünf Jahren geführt habe. Dort waren 150 Marketer die wahrscheinlich nicht mit meiner Autobiographie gerechnet hatten, sie aber eine halbe Stunde über sich ergehen lassen mussten. Einige hat es dann doch interessiert, sie haben mich zu meiner Freude auf Facebook kontaktiert. Ich werde die Präsentation mal an anderer Stelle vorstellen.
Die Hauptfrage des größtenteils von Social Media unberührten Publikums war: Ist Social Media ein Hype? Wird da mal wieder eine neue Sau durchs Dorf gejagt? Ich sag mal: Nein.
Meine These: Social Media ist ein pandorische Büchse.
Wir erleben hier nur den Anfang, zukünftige Generationen werden ein materiell-virtuelles Doppelleben führen. Ich fang am besten mal ganz vorne an um diese These zu stützen.
Direkte und indirekte Kommunikation
In den Anfangstages des Internets nutzten es die meisten um per Chat oder Email direkt miteinander zu kommunizieren. Foren ermöglichten es nicht nur Inhalte im Netz zu publizieren sondern auch zu kommentieren. Blogs kamen Ende der 90er auf und erlaubten Nutzern selbst zu publizieren. Microbloggingsysteme wie Twitter haben das ganze noch schneller und einfacher gemacht. Auch Statusmeldungen auf Social Media-Plattformen erfüllen die selbe Funktion: Man wirft etwas in den virtuellen Raum und wer zuhören will hört zu. Die Kommunikation ist nicht mehr direkt, sie geht ungerichtet ins Netz. Nutzer generieren den Inhalt, Web 2.0. Die virtuelle Öffentlichkeit entstand.
Avatare und Profile
Das Erstellen eines Avatars als digitale Repräsentation eines Kommunizierneden wurde ursprünglich in Spielen eingeführt. Anfang der Achtziger Jahre kamen die MUDs (Multiuser Dungeons) auf in denen viele Spieler gemeinsam in Echtzeit virtuelle Räume ergründen mussten. Hier wurde nie der Anspruch einer authentischen Abbildung der Teilnehmer gestellt. Das änderte sich mit dem Aufkommen der ersten Flirtplattformen. Das dort erstellte Profil entsprach meistens dem erwünschten Bilds des Flirtwilligen. Ob dreidimensional animierte Traumfigur oder Bewerbungsmappenprofil bei Xing, es handelt sich jeweils um ein Abbild – mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad vom physischen Original. Seit den ersten Flirtplattformen wurde das Netz für soziale Interaktion genutzt, Social Media entstand. (Mehr dazu im Artikel Avatar – Profil 1:1)
Soziale Netzwerke
Ziel der Flirtplattformen war jedoch stets zwei Menschen zusammen zu bringen. Als im Jahr 2003 die Plattform Friendster es ermöglichte, sich soziale Netzwerke aufzubauen schoss die Zahl der Nutzer in bislang ungeahnte Höhen. MySpace folgte in der Bugwelle des Erfolges von Friendster und 2004 ging Facebook ins Netz. Soziale Netzwerke im materiellen Leben fanden plötzlich ihr Pendant im Netz.
Kommunikation im Netzwerk
Facebook verband den Aufbau virtueller sozialer Netzwerke mit direkter und indirekter Kommunikation. Nun gab es die Möglichkeit kurze Meldungen an eine virtuelle Pinwand zu hängen und mit Freunden zu chatten. Spielchen wie kleine Umfragen animierten die Nutzer sich zu äußern und die Äußerungen anderer zu kommentieren. Der virtuelle soziale Raum wurde mit Kommunikation gefüllt. Das Abbild des einzelnen ist damit nicht mehr nur das angelegte Profil sondern die Summe aller Äußerungen. Die virtuellen Abbilder wachsen über sich hinaus. Kommunikative Phänomene wie Small-Talk finden plötzlich ihr virtuelles Pendant, ein hoch komplexes soziales System mit eigenen Kommunikationsregeln entsteht im Paralleluniversum.
Die Welt im Netz
Google Earth versucht die Welt virtuell nachzubauen, Navigationssysteme berechnen im virtuellen Raum die beste Route zum nächsten Restaurant. Nicht nur Menschen, sondern auch Orte werden ins Paralleluniversum abgebildet. Da der Zugang zu diesem Universum nicht mehr ortsgebunden ist kann überall die lokale virtuelle Welt ergründet werden. Meldet sich ein Nutzer bei einer Plattform wie Foursquare oder Gowalla an einem Ort an ist auch seine Position im Netz abgebildet und somit verfügbar. Diese Plattformen sind heute noch in Deutschland sehr wenig verbreitet, werden aber kommen.
Kurz zusammengefasst: Folgende Faktoren machen den heutigen virtuellen Raum aus.
- direkte Kommunikation (Skype, Email, ICQ, ...)
- Avatar oder Profil als digitales Abbild eines Menschen
- Nutzergenerierter Inhalt (Blogs, Flickr, Youtube)
- Aufbau sozialer Netzwerke (Friendster, MySpace, Facebook, LinkedIn, Xing)
- Indirekte Kommunikation: Foren, Statusmeldungen, öffentliche Kommentare, Tweets
- räumliche Abbildung der Welt (Google Earth, Panoramio, Navigationssysteme)
- mobile Internetnutzung (UMTS, iPhone, Blackberry)
- räumliche Abbildung der Nutzer (Foursqaure, Gowalla)
Fazit
Das virtuelle Paralleluniversum wächst in seiner Komplexität dank steter technischer Erweiterung und rapide wachsender Nutzerzahlen. Die Voraussetzung zum Aufbau komplexer sozialer Systeme sind gegeben und werden genutzt, denn der Mensch ist ein soziales Wesen. Die einzige Bremse sind derzeit Datenschutzrechtliche Bedenken und die Angst zum gläsernen Menschen zu werden. Schaut man sich aber den bedenkenlosen Umgang mit diesen Medien jener an, die damit aufwachsen, muss man feststellen das wie immer gilt: Was technisch machbar ist wird irgendwann auch gemacht.
Social Media mag ein Schlagwort sein, doch das wofür es steht wird die Zukunft auf lange Sicht prägen. Die Plattformen werden kommen und gehen und sich weiterentwickeln, sie werden jedoch nicht mehr verschwinden. Wir haben die Büchse der Pandora geöffnet.
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