Donnerstag, 30. August 2012

Dabeisein ist alles!

Gesichter blicken mit gewollt vertrauenserweckendem Blick von Plakaten auf die Straßen der Stadt und sagen mir: Wähl mich! In Ermangelung des längst überfälligen Virtuellenwahlrecht kann ich dem Wunsch nicht Folge leisten, interessiere mich aber trotzdem dafür, wer in den nächsten acht Jahren meiner Heimatstadt Stuttgart als Oberbürgermeister dient.

Der berechtigten Angst vor dem Politikerverdruss der Wähler geschuldet sind diesmal ein Haufen parteilose Kandidaten im Rennen. Für die Fortschritt-ist-wenn-der-Bagger-rollt-Fraktion (CDU, FDP, Freie Wähler) lässt sich der parteilose Werbefritze Sebastian Turner aufstellen, ebenso parteilos ist Bettina Wilhelm, die für die SPD antritt. Mit Fritz Kuhn trauen sich die Grünen, einen aus den eigenen Reihen zu nominieren. Ein Haufen weiterer Kandidaten treibt das olympische Prinzip auf den Wahlzettel. Das ist auch gut so: Demokratie lebt von Vielfalt. Motive dafür gibt's einige zwischen Idealismus, Profilierungssucht und Albernheit.

Lohnt es sich überhaupt jemanden zu wählen, der oder die eh keine Chance auf das Amt hat? Ist eine Stimme für Rockenbauch verschwendet, wenn es gilt, Turner zu stoppen? Wählt man strategisch oder nach besten Wissen und Gewissen? Darüber streiten sich viele, aber ich sage mal einfach: Scheiß der Hund drauf! Wenn Turner im ersten Wahlgang 50% erreicht, kümmert keinen, wie die anderen abschneiden. Weder Kuhn noch Wilhelm werden meines Erachtens im ersten Anlauf die Mehrheit erreichen. Wenn keiner die Mehrheit beim ersten Mal erreicht, kommt es zum zweiten Wahlgang. Also wäre es auch egal, ob die Piraten ein paar Stimmen erobert hätten oder nicht. Die Debatte, ob man sich beim ersten Wahlgang idealistisch oder pragmatisch verhält scheint mir einigermaßen sinnlos. Es sei denn, man glaubt, Kuhn könne die 50%-Hürde nehmen. Wer also Jens Loewe oder Marion Furtwängler mag, sollte sie auch wählen. Vorausgesetzt, sie bekommen genügend Unterstützerunterschriften, um überhaupt teilnehmen zu können. Einige der weniger bekannten Kandidaten brauchen noch Unterschriften. Wer sich also wie ich über Vielfalt freut, sollte sie unterstützen.

Interessant wird's erst in der zweiten Runde. Turner hat automatisch gewonnen, wenn sich die anderen auf keinen Gegenkandidaten einigen können, sei es aus Eitelkeit oder Größenwahn. Ob Kuhn, Wilhelm oder Rockenbauch bereit dazu sind, den Platz für jemand anderes zu räumen, ist offen, aber auch  zu hoffen! Dazu könnte es natürlich sinnvoll sein, wenn Platz 2 recht eindeutig ausfällt, was wieder gegen die kleinen Kandidaten spricht. Doch das ist mir zu viel Rumtaktiererei, es lebe die Vielfalt!

PS:
Mein persönlicher Tipp für alle, die mit ihrer Unterschrift für Vielfalt sorgen wollen: Jens Loewe. Er ist S21-Gegner aus Leidenschaft, setzt sich für den Rückkauf und die Rekommunalisierung der Strom-, Wasser- und Gasversorgung der Stadt ein und ist für mehr Bürgerbeteiligung. Ich bin nicht in allen Punkten mit seiner Meinung konform, halte ihn aber für einen Idealisten, der sich nicht für eine Politkarriere profilieren will. Ausserdem hat er „Unser Pavillon“ stark unterstützt, was mir natürlich gefällt! Ein Pavillonist als OB wäre ein schöner Gedanke, aber er sollte zumindest dabei sein, denn das ist bekanntlich alles.

Hier kann man sein Unterschriftenformular runterladen: 
http://www.jens-loewe.de/unterstuetzen.html


Ein weiterer Kandidat, der zwar schon alle Unterschriften hat, aber trotzdem interessant ist: Wolfram Bernhardt. „Wolfram ist keine Partei. Wolfram ist das Volk. Stuttgart braucht Wolfram.“ steht auf seiner Facebookseite geschrieben. Klingt selbstbewusst, und das ist auch gut so. Wir wollen schließlich keinen Waschlappen als OB. Bernhardt ist Mitbegründer der Bürgerbeteiligungsplattform Meisterbuerger.org und ein recht schlauer Kopf. Wenn man ihn auch nicht wählen will, ist er ein interessanter Bursche, den man sich mal anschauen soll. Des weiteren arbeitet Bernhardt auch für Agora 42, einem sehr schlauen Magazin über Wirtschaft, Geld und so. (Ich wollte schon des längeren mal dieses Magazin hier vorstellen, hab's aber noch nicht hingekriegt. Tschuldigung!)

Interview mit Bernhardt

3 Kommentare:

  1. Okay liebe Dora. Ich kritisiere Deinen schönen Artikel :-)
    Der Satz "Turner hat automatisch gewonnen, wenn sich die anderen auf keinen Gegenkandidaten einigen können, sei es aus Eitelkeit oder Größenwahn." ist meines Erachtens wichtig. Ich
    traue vom Kaliber in der Politik nur Turner und Kuhn zu das Rennen zu machen. Ich bin Kuhn-Unterstützerin und verzweifle ob der Vielfalt von absoluten No-Names und "Ich probier das mal"-Kandidaten. Stuttgart ist mir als meine Heimatstadt zu wichtig um "alles, was gegen Tirner ist" so zerbröselt zu sehen.
    Um es klar zu sagen, jede Stimme für Hannes, Jens und den No-Names ist gegen Kuhn, also für Turner. Wenn es zur Stichwahl kommt, sollten, wie Du schreibst, sich die gegen-Turner-Kandidaten auf einen einigen. Das wäre für mich Kuhn. Hannes hat meines Erachtens zu verquaste Vorstellungen, wie man den Verkehr in Stuttgart regeln sollte (Citymaut aber ohne Wegfall KFZ-Steuer, ohne billigere ÖPNV, Rückbau Parkplätze in der Stadt... alles sehr idealistische jugendliche Forderungen, die niemals umgesetzt werden können oder sollten).
    Alle anderen Kandidaten sehe ich jetzt als Köpfe auf Wahlplakaten, kenne aber keine Inhalte.
    Ich habe Fritz Kuhn hier in Degerloch getroffen und er meinte auch: jede erste Stimme an ihn würde stark gegen Turner sein. Und dass Turner nicht geht, darüber sind wir uns hoffentlich einig.

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  2. Marion Furtwängler hat übrigens aus persönlichen Gründen aufgegeben.
    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ob-wahl-in-stuttgart-marion-furtwaengler-zieht-zurueck.172a83c1-f57c-43ba-97c4-f736cb671edc.html

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  3. [...] mal angeschaut werden würde und die eine oder andere Idee aufgegriffen würde. Demokratie lebt wie gesagt von Vielfalt, Ralph Schertlen liefert ein bislang wenig beachteten Beitrag [...]

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