Montag, 13. August 2012

Rechtfertigungspaste



Ja, ich lebe noch. Und ich hab weder meine Tastatur verlegt noch bin ich in einem Datenstrudel untergegangen. Mein Ausredenerfindungsareal in der Großhirnrinde könnte auf Hochtouren laufen, müsste ich mich hier jetzt für meine blogistische Abstinenz rechtfertigen. Ich lass das mal schön bleiben, die Rechtfertigerei ist eh recht nervig, wenn einem keine spannende Ausredengeschichte einfällt, deren Unterhaltungswert die Frage nach Wahrheitsgehalt unbeantwortet in die Wüste schickt. Bei der Rechtfertigerei wird gerne das Pferd von hinten aufgezäumt: Erst handeln, dann einen Grund dafür aus dem Hut zaubern. Unbekannte Gründe sind Löcher im logischen Gewebe, aus dem wir unsere Realität stricken. Der lochologische Grundsatz „Löcher muss man aushalten können“ (K. Rehm) ist hehr, wird jedoch selten beherzigt. Die Löcher werden mit Rechtfertigungspaste zugekleistert, damit die Welt wieder schlüssig und berechenbar scheint. Zugegeben: Mir fällt es auch nicht leicht, Sachen als gegeben hinzunehmen, meine Neugier drängt mich zum Ergründen, als gäbe es eine Wahrheit zu entdecken, die sich offenbare, schaute man nur genau genug hin. „Wahrheit“ ist jener Zustand, in dem ein Rechtfertigungsgerüst einigermaßen stabil dazustehen scheint und damit von Gerüstbauer zu Gerüstbauer unterschiedlich. Werfen wir den Balast einer vermeintlichen Objektivität ab, bleibt die Wahrhaftigkeit, die laut Wikipedia das subjektive „Für Wahr-Halten“ der eigenen Aussage in einem konkreten Kontext sei. Rechtfertigungen dienen dem Gefühl von Wahrhaftigkeit, dass alles in Ordung sei, alles seinen Grund habe. Und wenn man den Grund an den Haaren herbeiziehen muss. 

Ich trete selbst in die Falle: Hier rechtfertige ich, keine Rechtfertigung zu haben. Letztendlich sind Rechtfertigungen schon okay, wenn man sie nicht all zu ernst nimmt und ab und an mal ohne auskommt. Davon geht die Welt nicht unter, sie wird höchstens ein bisschen löchriger.

PS: Wer bereit dazu ist, Löcher auszuhalten, darf sich gerne der Loch 21-Initiative anschließen, die von den Lochologen Karin Rehm und Martin Zentner von der Künstlergruppe Schattenwald betrieben wird.

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