Dienstag, 9. März 2010

Glamouröses Loch

So wie ich es verstanden habe funktioniert das mit der Wirtschaft so, dass es immer wichtig ist Geld auszugeben, dass man nicht hat. Man leiht es von Banken, die es wiederum von anderen leihen und dann gibt es noch jene, die das ganze versichern und andere, die darüber wetten, ob es zurückgezahlt werden kann oder eher nicht so. Ziel solcher Konstrukte ist es, so kompliziert zu sein, dass keiner kapiert wo das Geld eigentlich herkommt und ob es überhaupt existiert. Da ja kein echtes Geld durch die Gegend gekarrt wird – ist ja heute alles virtuell – kann man da auch nicht mehr genau nachvollziehen, wem was nicht gehört. Ich bin beeindruckt wie erfolgreich durch wirre Verschleierungstaktik die virtuelle Natur des Geldes unter den Teppich gekehrt wird. Wenn ich nicht immer ausplaudern würde, dass ich virtuell bin, würde der Trick vielleicht auch bei mir gelingen.

Wohin mit all dem Geld?
Zurück zum Geld: Was macht man denn mit dem ganzen virtuellen Geld? Verprassen! Dazu ist doch Geld da, auch das auf dem Papier. Doch wohin mit dem ganzen Geld? Dieser Frage gehen die schlausten Köpfe in der Politik nach. Deren Leitsatz: Nicht kleckern, klotzen. Ein Großprojekt muss her. Man könnte zwar auch viele kleine Probleme lösen, aber das ist eher müh- als publikumswirksam. Kitas bauen und Kultur fördern macht zwar Bürger glücklich, aber das ist schnell vergessen da total unglamourös. So schreibt man keine Geschichte. Einen Bahnhof zu vergraben und das so entstandene Bauland zu verscherbeln ist da schon besser. Das macht zwar die Bürger nicht glücklich, dafür aber die alten Kumpels aus der Baubranche. Und bis zur nächsten Wahl haben die Bürger eh vergessen wer ihnen das ganze eingebrockt hat. Dass das ganze Projekt hinten und vorne nicht zusammenpasst und keiner weiß wie viel das Ganze wirklich kostet ist ja egal, passiert ja eh erst in der Zukunft. Bis dahin hat man ja genügend Zeit Ausreden zu erfinden.

Großprojekt mit Glamourfaktor
Was ich nicht verstehe: Wenn man schon so viel Geld, dass man nicht hat, in ein Prestigeprojekt stecken will, warum vergräbt man dann ausgerechnet einen Bahnhof? Pharaonen haben Pyramiden gebaut, die noch heute Millionen von Touristen begeistern. Wer wird in drei Tausend Jahren noch nach Stuttgart kommen und Stuttgart 21 bewundern? Schneller nach Ulm kommen – wo ist da der Glamourfaktor? Ein Neubaugebiet voll Investorenarchitektur wie wir’s schon am Pariser Platz bewundern können wird uns auch nicht in die Geschichtsbücher bringen. Was wir brauchen ist ein veritables Weltwunder! Und ich wette dass wir mit den Unsummen nicht vorhandenen Geldes, das Stuttgart 21 kosten wird, genau das erreichen können. Wenn wir schon zu graben anfangen, dann richtig! Wir graben das größte Loch der Welt: LOCH21. Wenn schon Größenwahn dann aber bitte mit Sahne. Den Exinhalt des Loches schütten wir auf den Monte Scherbelino über den Schutt des 2. Weltkrieges. Ein neues Skigebiet erfreut Bürger und Touristen, die Bewerbung für die Olympischen Winterpspiele  2022 macht wiederum Politiker und deren Kumpels in den Verbänden froh.

LOCH21: Ein Loch für alle.
Die Tunnels von Stuttgart 21 kommen nur den Kunden der Bahn zu gute, eine kleine privilegierte Klasse jener, die sich noch Bahntickets leisten können. Ins LOCH21 kann jeder starren: Das Volksloch ist es für alle da! Das motiviert den Bürger mitzuhelfen. Jeder kann am Wochenende seine Schaufel oder seinen Tagebaubagger packen und gemeinsam mit Familie und Freunden mit graben. Das fördert das Gemeinschaftsgefühl und sorgt für sportlichen Ausgleich. Das Projekt wird schnell die internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen und vielleicht auch Nachahmer finden. Aber wir freuen uns, wenn unsere Idee Schule macht – so lange unser Loch das größte bleibt. Schon mit dem Fernsehturm haben wir unsere architektonische Vorreiterstellung behauptet, mit LOCH21 werden wir in der Geschichte des Städtebaus ein neues Kapitel aufschlagen. Jetzt gilt es, den machthabenden Geldschiebern das Projekt schmackhaft zu machen, so dass die Pläne Stuttgart 21 ganz schnell in jenem Loch begraben werden, dass wir so dringend brauchen.

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