Dienstag, 13. Januar 2009

Ansager und Zuhörer

Kleider schützen vor Witterung. Wenn man sie beim Textil-Ikea kauft, erfüllen sie dies ohne viel zu kosten oder den Augen anderer all zu sehr zu schaden. Wer nicht nur nichts falsch machen will, sondern auch ein bisschen Individualität wagt, kommt mitunter zu uns in den Laden, die Bütique. Vorausgesetzt, man fürchtet nicht das potenziell düstere Karma, welches von Vorbesitzern der feilgebotenen Klamotten abgefärbt hat.

Manche Kunden freuen sich über eine wilde Auswahl aus vielen Jahrzehnten der Mode, andere beschleicht da ein großer Zweifel: Ist die Ware überhaupt im Trend? Neuware ist das ja eigentlich per Definition, aber altes Zeug? Was sagen denn meine Kollegen, wenn ich den Trend verfehlt habe? Was sagt der Türsteher des VIP-Bereichs des "angesagten" Clubs? Natürlich sehe ich es als meine Pflicht an, jenen Damen (dies ist, wie mir scheint, ein hauptsächlich dämliches Problem) mit ruhiger Stimme zu versichern, sie bewegen sich stilistisch auf sicherem Boden, brauchen nicht den Argwohn trendbeflissener Zeitgenossen fürchten. Individualismus sei jetzt in, also brauche man sich nicht wundern, wenn andere nicht die selbe Schluppenbluse aus den späten Siebzigern tragen. Menschen, die darauf achten, was angesagt ist, brauchen Ansager. Ansager wird man, in dem man einfach ansagt. Hört jemand zu, ist das okay, wenn nicht, dann scheiß der Hund drauf.

PS: auf dem oben gezeigten Foto habe ich mich der Umgebung entsprechend entstellt. Zum Glück kennt der virtuelle Raum keine Schwerkraft, sonst würde ich vorne überkippen.

1 Kommentar:

  1. Liebe Dora,

    ich schätze es sehr, dass Du Dich nicht nur mit dem Zeitgeist, sondern auch mit dem raffinierten, kalkulierten Umgang mit der Wahl der Abfolge der richtigen Worte auskennst (Wie sagt man denn nochmal ´in Echt´ dazu?...Menno, mein Gedächtnis mal wieder...). Also, gekonnt, dass Du gleich zu Beginn das Wort ´Witterung´ im Sinn von ´Wetter´ benutzt. So bringst Du den Leser davon ab, sich auf die eigentlich viel wichtigere Bedeutung, nämlich das Wittern, zu konzentrieren, sicher in der Hoffnung darauf, dass nun keiner Deiner Leser im Folgenden nun noch darauf achtet, auf hinterlistiges Product-Placement (z.B. für die durchaus respektable Bütique) zu achten. So führst Du sicher sogar diejenigen Leser hinters Licht, die sich nicht schon allein von diesem Anglizismus abschrecken lasssen!
    Respekt!
    Meine Meinung zur Mode:
    Ich leihe mir an der Kasse immer Bowlingschuhe aus, wenn ich Bowlen gehe. Würde mir wünschen, dass sich diese durchaus sinnvolle Dienstleistung auch auf andere Anlässe des Alltags oder auch der Allnacht ausdehnen würde. Die Situation heute ist doch, bei Lichte besehen, desaströs:
    Man kauft sich Kleider, meist ohne genau zu wissen, welche Anforderungen der kommende Tag an sie stellen wird! (Naja, so ungefähr schon, aber Du wirst mir da doch sicher zustimmen: Der kommende Tag und seine modetechnischen Anforderungen - das ist ein komplexes Thema!)
    Also kaufen die meisten Menschen im Voraus Kleidung, ohne die genauen Anforderungen zu kennen! Und schlimmmer noch: Ist der Tag/die Nacht rum, wird die Kleidung in den Schrank gehängt - um eines unseligen Tages nochmals aufgetragen zu werden!!! Würde jemand so etwas mit seinen Papiertaschentüchern machen???
    Gut, jetzt wird natürlich mancher sagen: Im Fernsehen kommt doch jeden Tag das Gleiche - daher reicht doch zum Fernsehen jeden Tag der selbe Jogginganzug!
    Und da muss ich sagen: okay!
    Aber an alle da draußen, die nicht nur fernsehen, sondern zum Beispiel auch mal zum Bowlen gehen wollen:
    Mehrweg statt Monotonie! Leihen statt kaufen, oder: Gezielt kaufen, tragen, verkaufen, und dann wieder punktgenau vor dem nächsten Lebensereignis: im FACHHANDEL neu eindecken!

    Mit illusionistischen Grüßen,
    Johann Schwarz

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