Montag, 8. November 2010

Nebelwerferstrategie



Das mein kurzer Artikel über das "tu ihn unten rein"-Hemdchen Wellen schlägt hätte ich nicht gedacht. Hat er aber. Nicht lange nach dem ich ihn "in den Blog rein getan" hab, hat eine Redakteurin der taz angerufen, von der Welt haben sich auch welche gemeldet, die Bildzeitung hat das Foto einfach rauskopiert und so weiter und so fort. 8.715 mal wurde Artikel bei mir angeklickt und wohl gelesen. Es wurde hitzig debatiert.

Die einen echauffieren sich über Frauenfeindlichkeit, andere werfen den EchauffeurInnen Prüderie und Humorlosigkeit vor. Ein sinnloses Unterfangen, da sich über Humor noch weniger streiten lässt als über Geschmack. Das Diskussionsniveau ist das übliche gegenseitige ans-Bein-Gepisse. Viele Proler distanzieren sich, sehen darin sogar eine gezielte Diskreditierung ihren Oben-Ohne-Initiative. Alles in allem: Riesengeschiss um eine Randnotiz.

Nebelwurf
So sehr mich das Hemdchen zum Fremdschämen animiert muss ich eingestehen: Mit der Sache hat das nichts zu tun. Zur Erinnnerung: Die Sache ist das Immobilienprojekt Stuttgart21. Das vergisst man manchmal. Es geht um Verkehrspolitik, Stadtentwicklung, Korruption, Geldverschwendung und andere Klopse, die aufgrund ihrer innewohnenden Komplexität viel schwerer zu verdauen sind als humoristische Irrfahrten einzelner T-Shirthändler. Da ist es viel einfacher, sich eine Meinungs zu bilden, da bedarf es keiner Politopis damit die Fakten auf den Tisch kommen. Etwas gekalauert sag ich mal: Hier liegen die nackten Tatsachen auf dem Hemd.

Diese Nebenkriegsschauplätze lenken ab. Solange sich die Leute über Mumpitz die Köppe einschlagen, kann die S21-Bande ruhigen Blutes ihr Projekt vorantreiben. Das gilt auch für die Klärung einzelner Teilaspekte bei den Schlichtungsgesprächen. Da wird über die potenzielle Leistungsfähigkeit einzelner Streckenabschnitte diskutiert wenn noch nicht mal geklärt ist, wer das ganze überhaupt bezahlen soll oder überhaupt kann. Diese Nebelwerferei ist Strategie, und sie geht leider auf.

Mücken und Elefanten
Doch wozu aus einer Mücke einen Elefanten machen, wenn davon schon eine ganze Herde rumsteht? Solange die Urheber des schwarzen Donnerstags nicht nur frei herumlaufen sondern auch noch das Land regieren ist mir ein solches Hemdchen nicht mehr als eine belustigende Randnotiz wert. Ebenso wenig interessiert mich welche Seite die größeren Demos oder Facebookgruppen zu Stande kriegt, wer wie viele Aufkleber klebt und wieder abkratzt. Was zählt ist die nächste Wahl, und somit die Chance das gesamte Regime in die wohlverdiente Opposition zu schicken. Bitte nicht davon ablenken lassen!

8 Kommentare:

  1. habe gerade "loch 21" gelesen, ist schon witzig...
    dazu kommt ja aktuell, dass ST 21 unten enger wie ein S bahnhof (unterirdisch) sein soll, zudem noch steil.

    als die befürworter kommen mir irgend wie *** vor.

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  2. Ja, es ist erstaunlich, woran man sich - argumentativ - festbeissen kann, wenn es nur nah genug vor Augen ist, und das Debattieren über Gender-Themen scheint eine liebe Gewohnheit, da können alle mit. Nicht mit waren aber viele bei den Wahlen, deren Resultate zu so beklagenswerten Ereignissen z.B. in Verkehrs- und Energiepolitik geführt haben, die viele Menschen auf die Strasse gebracht haben, die mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren konnten, auch mal das "geringere Übel" zu wählen, anstatt durch Nichtbeteiligung dem größeren der Übel freie Bahn zu machen. Ich kenne ein paar kluge, freundliche und verantwortungsbewußte Menschen, die bereit wären, sich körperlich für eine wichtige Sache zu opfern, aber sich geistig nicht dazu überwinden können, sich dem derzeit existierenden Wahlsystem einzugliedern und auch mal ein Kreuzchen zu machen, wo sie nicht vollinhaltlich hinter dem Programm oder den aufgestellten Personen zu stehen vermögen, um anderen den Weg zur Regierungsmacht so schwer wie möglich zu machen. Warum ist das so unlogisch?

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  3. Die Diskussion kenn ich bestens. Ich denke auch man muss das kleinste Übel wählen oder selbst eine Partei gründen die besser ist. Hab ich aber noch nicht. Oder man tritt einer Partei bei und versucht dort Überzeugungsarbeit zu leisten. Hoffnungslos? Na und! Sich gegen das System zu verweigern heist, es unkontrolliert weitermachen zu lassen. Wer nicht wählen geht stimmt dem Wahlergebnis zu und hat sein Recht verwirkt über die folgende Regierung zu schimpfen.
    Altes Sprichwort: Love it, change it or leave it. Jammern ist keine sinnvolle Option.

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  4. da stimm ich dir voll zu...

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  5. Was zählt, ist nicht die nächste Wahl, sondern was man sich weiter leisten will. und tatsächlich, da gehen die Meinungen auseinander.

    unabhängig davon läuftn Zinsrechner. die Kosten der Freiheit??

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  6. so sieht's aus !!!
    vor allem der vorletzte satz...

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  7. Kosten der Freiheit? Nichts gibts umsonst.

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  8. Riecht vielleicht danach, ist es aber nicht. Ich hab doch selbst behauptet dass es sich dabei um eine geschmackliche Verirrung eines Einzelnen handelt. Die Nebelwerferstrategie beziehe ich darauf, dass bei den Schlichtungsgesprächen das Thema oft in Details gezogen wurde und damit der Blick aufs Ganze vernebelt wurde. Ich mache mich des in den Topf werfen zweier Dinge schuldig. Das hat wohl verwirrt. Wenngleich ich doch behaupte dass die starken Reaktionen auf das Hemdchen den Befürwortern letztendlich in die Hände spielen. Und zwar deshalb weil es auch ablenkt.

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