Freitag, 9. November 2012

Gestochene Identität



Ob ich wohl tätowiert sei, das fragt sich der eine oder andere wohl. Ich halte es da wie Schrödingers Katze: Vielleicht bin ich's, vielleicht nicht. Erst wenn ich hinschau, entscheidet sich das. Der Sinn und Zweck eingestochener Bilder, Muster und Geweihe ist ja ein ur-fleischiger. Man dekoriert sich ja nicht nur neu, man verändert sein physisches Wesen, transformiert seine Inkarnation. Im Gegensatz zu Make-Up ist das permanent. Eben diese Permanenz geht uns Virtuellen ab. Wir könnten jedes unliebsame Hautdekor einfach abschminken, ohne dabei zum Laser greifen zu müssen. Die Gnade des Photoshops ist uns Virtuellen vorbehalten.

Virtuelle können trotzdem nicht unbesorgt durch die Gegend mutieren, wie sie es gerade wollen. Unser Erscheinungsbild definiert wie bei Fleischlingen einen großen Teil unserer Identität, macht uns schnell wiedererkennbar. Ohne die Konstanz eines gewachsenen Körpers ist unser Aussehen eine recht abstrakte Sache, die Verlockung, uns zu verändern groß.  Da gilt es aufzupassen: Was den Fleischlichen ihre Körper sind, sind uns unsere Erkennungsmerkmale. Sei es Donalds Matrosenanzug, Popeyes Unterarme oder meine Augenbrauen. Wir leben in den Köpfen anderer Menschen und definieren uns über ein paar wenige Attribute, den Rest muss unsere Persönlichkeit auffüllen. Verändern wir uns zu radikal, verliert unsere Identität an Konstanz und kann sich dabei sogar auflösen. Die Möglichkeit sich stets neu erfinden zu können ist auch gleichzeitig eine gefährliche Versuchung. Es gilt, den Kern unserer Identität zu bewahren, ihn wie eine Tätowierung zu tragen, ihn mit Bedacht zu erweitern, und wenn verblasst, auch mal nachzustechen. Und wenn's mal ganz doof wird, kann man ja auch mal was weglasern.

Donnerstag, 8. November 2012

Biss zum Lesergrauen



Heute bin ich mal vampirisch drauf, denn Dracula-Erfinder Bram Stoker feiert seinen 165. Geburtstag. Vampire sind die Lieblings-Untoten der meisten Mädchen, Buben bevorzugen Zombies. Vampire können jedoch mehr: Sie verhelfen auch erbärmlicher Literatur zu hohen Auflagen! Kaum verführt ein düster-schöner Blutsauger ein unschuldig Mädlein, werden Leserinnenknie weich. Vielleicht sollte ich mein Geschreibsel hier auch mal vampirisieren (im englischen gibt's ja die tolle Bezeichnung „to vamp up“, was so viel wie aufmotzen heißt) um meine „Zielgruppe zu erweitern“. Dann noch 'ne ordentliche Portion SM mit rein (Ein schlagkräftiges Argument für mehr Kundenbindung!), und fertig ist der Verkaufsschlager! Da stört es wahrscheinlich die Leser nicht mal mehr, dass ich meine Sätze durch geklammerte Einwürfe niederer Relevanz zerhacke. Hauptsache Blut und Dominanz.

Mich nerven die düsteren Fürsten jedoch gewaltig – jenseits von Graf Zahl können die mich mal am Allerwertesten beissen. Mein Narzissmus würde unter der Spiegelbildlosigkeit entschieden leiden. Mich wundert es auch, wie die Vampiras dieser Welt ihr düsteres Make-Up so ganz ohne Spiegel sauber hinbekommen. Und fortan ohne Knoblauch zu (un)leben ist denkbar, aber nicht wünschenswert. Als Werwölfin müsste ich mich mit solchen Problemen nur einmal pro Monat rumschlagen. Zum Glück bin ich Werkatze.

Mehr zum Thema Vampirismus und dessen Derivat Halbvampirismus:

http://asemwald.wordpress.com/2007/09/04/schlaue-erkenntnisse-zur-vampirologie/

http://asemwald.wordpress.com/2007/09/05/schwarzebohnenknoblauchsose-schutzt-vor-halbvampiren/

http://asemwald.wordpress.com/2007/10/13/pflanzensaft-fur-halbvampire/

Mittwoch, 7. November 2012

Analoge Katze, Mensch und Wald

[caption id="attachment_7742" align="aligncenter" width="584"] Fotograf Calin Kruse, komplett unanalog mit Telefonkamera aufgenommen. Foto: mz[/caption]

Gleich eine Woche, nachdem Peter Franck sein Atelier GLÜCKLICHUNDSCHOEN eröffnet hat, kommt schon die erste Ausstellung. Calin Kruse, der Herausgeber des wunderbaren dienacht-Magazins, das halbjährlich eine feine Auswahl an zeitgenössischer Fotografie und Illustration darbietet, zeigt eine Serie seiner eigenen Bilder. Schwarz-Weiß. Analog. Spontan. Roh. Bisweilen sogar sexi. Thea und ich sind mal hingegangen und haben uns das vor Ort angeschaut.

[caption id="" align="alignnone" width="670"] Knie beim Rasieren geschnitten und dann aufgekratzt. Foto: Calin Kruse[/caption]

So wurde die Ausstellung angekündigt. Sehr poetisch, damit die Worte mehr als nur ein tausendstel Bild zu sagen haben:
No Real Time Info Available

vorsichtige Tritte auf zerbrochenem Glas, tappend durch die Nacht, sich ins Nichts vortastend

gebannt starren, sich spüren, und wittern

losgelöst, und wach

umgeben von wattiger, kühler Dunkelheit und Rausch und Neugierde und sanfte Bedrohung

durch klebrigen Staub und modriges Holz und spitzhackiges Gestrüpp und feuchte Erde und knirschende Steine

und die Dunkelheit, immer wieder die Dunkelheit.

[caption id="" align="alignnone" width="500"] Foto: Calin Kruse[/caption]

Calin weiß, wie man sich im Netz verbreitet: Ein Katzenbild hat sich in die ansonsten eher von Modell Dafna Lazorrovitz dominierten Bilder geschlichen.

[caption id="" align="alignnone" width="670"] KATZE! Katzenfoto: Calin Kruse[/caption]

[caption id="" align="alignnone" width="670"] WALD! Calin Kruse erfreut uns mit einem schattigen Waldbild.[/caption]

Am besten schaut ihr euch die Bilder vor Ort an, sie hängen noch ein paar Tage bei Peter Franck im Altelier.

[caption id="attachment_7767" align="aligncenter" width="584"] Fotograf und Nichtgalerist aber Aussteller Peter Franck. Das am Abend geschossene Foto von Peter sah nicht so prima aus, sodass ich einfach ein Selbstporträt von ihm genommen hab.[/caption]

Atelier glücklichundschön
Rotebühlstrasse 109a
70178 Stuttgart

www.gluecklichundschoen.de

http://www.peterfranck.de/

Wer es nicht mehr dort hin schafft, schaut sich die Bilder im Netz an:

http://cargocollective.com/calin/No-Real-Time-Info-Available

https://www.facebook.com/media/set/?set=a.260134954091779.48120.100002858286267&type=3

http://cargocollective.com/calin

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PS:


Das dienacht-Magazin lohnt sich, es zu besorgen. Es ist klein, fein und macht nicht arm.

[caption id="" align="alignnone" width="500"] dienacht, das Magazin von Calin Kruse. http://www.dienacht-magazine.com/[/caption]