Sonntag, 18. November 2007

Hard-boiled Münzwaschomat und das Ende meiner Hose

Hach, wie doof: Das dem Essen beigelegte Sojasoßenplastikaufreisundwegwerffläschchen hatte sich zuerst meinem Versuch, mittels Beißwerkzeug an den Inhalt zu kommen, wehement widersetzt, doch dann kurzerhand umdisponiert und sich über meiner leider nicht sojasoßenfarbenen Hose entlehrt. Gute Gelegenheit, lokale Waschbräuche zu erkunden.

Und siehe da: der Münzwaschsalon ist auch in Japan heimisch! Ich kann keinem Münzwaschomat widerstehen, die tollsten Bekanntschaften und Entdeckungen habe ich dort schon gemacht. Den Mann fürs Leben war zwar nicht dabei, aber der Einblick in das Leben jener, denen keine eigene Waschmaschine zur Verfügung steht, hat mich stets fasziniert. Zugegeben: ich bin leicht zu faszinieren, aber auch wieder schnell entfasziniert. Grundsätzlich unterscheide ich zwischen jenen, die aus blanker Not weder Platz noch Geld für eine eigene Maschine haben und jenen, die sich nicht durch eine Waschmaschine binden lassen wollen, folglich dem Waschnomadentum frönen. Der moderne urbane Waschnomade, ein Trend den die Weißwarenindustrie bislang verschlafen hat. Ich werde sie jedenfalls nicht wecken. Vom Anblick der rotierenden Hose kurzfristig hypnotisiert verlier ich mich gerne in derart Gedanken, insbesondere wenn Münzwaschomaten wie dieser schlecht besucht sind. Am Ende meines Gedankenganges, der sich als Sackgasse erwies, drohte Langeweile wie ein ausgehungertes Raubtier. Also: erst mal Gebiet erkunden.
Eine hinten links jenseits des Geldwechslomat leicht verdeckte Tür war nur angelehnt. Meine Neugierde wurde geweckt. Wenn die mal wach ist, bedarf es elefantenportionene Beruhigungsmittel, um sie wieder in den Schlaf zu wiegen. Die hätte es im Automaten vor der Tür gegeben, aber ich hatte mein ganzes Kleingeld schon in den Waschomat geschmissen, in welchem meine befleckte Hose gerade eine nette Runde drehte.

Hinter der Tür befand sich ein düsterer Gang, ein sonderbares Brummen drang aus den Gullideckeln, es roch nach einer Mischung aus Wunderbaum und Fritörin, war aber sehr sauber, wie eigentlich alles hier. Mein Lieblingsautor, der japanische Herr Murakami, hat in seinen Büchern so alles mögliche über das Treiben unterhalb Tokios geschrieben. Da ich seinen Geschichten glauben schenke, warf ein nicht mehr ganz so leichtes Gefühl der Mulmigkeit seinen Schatten auf das lodernde Feuer meiner Neugier. Ohne Erfolg, denn Schatten haben gegen Feuer nur geringe Chancen.
Ich musste mir eingestehen, dass ich mich im Labyrinth der Gänge ein kleines bisschen verlaufen hatte. Eine einsame Nichtplastikpalme neben einem üppig gefüllten Aschenbecher zeugte von menschlicher Belebtheit, leise drang Jazzmusik in mein Ohr. Ich folgte ihr und entdeckte eine weitere angelehnte Tür, durch deren Spalt die Musik wohl ihren Weg zu mir bahnte.
Jenseits der Tür war eine Treppe, deren Ende dank Dunkelheit nicht auszumachen war. Vom Forscherdrang getrieben erklomm ich unzählige Stufen und gelangte schlussendlich in einen unübersichtlichen, niedrigen Raum.

Wirres Geflecht durchzog das Zimmer, als ob eine überdimensionale Spinne neugierige Mädchen darin einfangen wolle. Doch mit dorischen Reflexen konnte ich der Gefahr entrinnen und schlängelte mich durch den katakombösen Raum zur Quelle der Musik - Jazzmusik mit wilden Rhythmen und einem Saxofonisten, der versuchte, jenseits der Grenze zum Lärm Musik zu finden. Ob er an diesem Abend noch erfolgreich sein würde, war mir nicht klar, doch genoss ich seine Suche.

Durch einen weiteren Gang gelang ich schließlich in einen fensterlosen Raum, der eng anliegend um einen Koch und seine Küche geschneidert wurde. Ich entledigte mich meiner Stiefel, wie es in guten japanischen Etablissements üblich ist. Fünf Zentimeter kleiner schien die Decke schon etwas ferner, der Raum gewann an Größe. Es roch nach Misosuppe, die der freundliche Herr mir auch gleich in einer Schale reichte. Dazu gab es erbsenartige Schoten, deren Inhalt leicht salzig schmeckte.
Auch Japaner zeigen stolz ihre Sammlung an Alkoholika, hier waren die Wände gesäumt mit Sakeflaschen. Das macht es mir immer einfach, trotz mangelnder Sprachkenntis durch Gestik meinem Begehr Ausdruck zu verleihen.
Warmer Sake lief mir wie Öl den Hals hinunter und wärmte Leib und Seele. Ob ich jemals wieder zurück zu meiner Hose finden würde? Diesen Gedanken blendete ich vorerst aus. Dafür war später Zeit.

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