Mittwoch, 9. Dezember 2009

Nörgler, Inaktivisten und Kuschelbärchis

Im letzten Artikel habe ich gefragt, wie ehrlich Onlineprofile sind und zu Bedenken gegeben, dass sie oft viel ehrlicher sind, als man denkt. Man liest ja auch zwischen den Zeilen und da steht natürlich viel mehr, als in den Kästchen, die man über sich aussfüllt. Das gilt für alle Plattformen, von Elitepartner über Xing bis Facebook. Facebook ist besonders interessant, weil dort besonders viele Zeilen sind, zwischen den man lesen kann. Ich mach mal eine kleine Liste verschiedener Typologien von Menschen, die mir da so aufgefallen sind:

Die Drei-Wetter-Taft-Frau
"Steffi Sonnenberg - back from shooting in L.A., tomorrow off to Berlin!"

Deine Statusmeldungen lesen sich wie die Aufschriften chicer Boutiquen: London, New York, Tokio. Jeder soll wissen, das du jetzt dem Jet-Set angehörst, überall gefragt bist. Meldungen postest du polyglott, meist in Englisch. Die anderen mit ihren drögen Büro-Jobs sollen ruhig ein bisschen neidisch sein.

Das Kuschelbärchi
"Karin Mußberg hat dir einen rosa Kuschelhabdichganzargliebbärchiherz geschickt"

Du magst deine Freundinnen fast so sehr wie deine Diddlmaussammlung, und dass sollen sie auch wissen. Jede Gelegenheit, sie mit total süßen Geschenken zu überhäufen nutzt du. Zum Glück mangelt es bei Facebook nicht daran.

Die Glücksnuss
"Tina Freiberg fragt den grünen Wurstmann was sich Petra Botnang zu Ostern wünscht: Einen räudigen Katz mit Senf und Mayo."

Dr. Wurstbrot verrät dir, dass Günther auf Latex steht, die Glückswurst hat erkannt, dass du heute neue Feinde finden wirst. Facebook weiß alles, und alle deine Kontakte auch. Du musst dir keine schlauen Sprüche ausdenken, dass macht schon irgendeine Applikation für dich. Doofe Kommentare gibts trotzdem immer. Praktisch!

Die Zwangskreative
"Nora Hasenwald - optimiert ihre Lebenslüge"

Du glaubst, du seist schlauer und lustiger als die anderen. Du reist dir den Arsch auf um auf Teufel komm raus unkonventionell rüber zu kommen.

Der Gläserne Mensch

"Mark Gaisburg - geht mal kurz auf die Toilette"

Das Netz ist dein Tagebuch, du bist Schäubles bester Freund. Jeder darf an deinem Leben teilhaben. Auch unterwegs, dank iPhone.

Der Tamagotchi
"Anna Rohrs Hasenstall hat die 7. Stufe erreicht."

Du kannst Facebook nicht alleine lassen, sonst verhungern deine Hasen, dein Bauernhof wird geplündert und deine Amazone wird von Orks gefressen. Jedesmal wenn dein virtueller Hasenstall neue Pixelhäschen hervorbringt müssen alle Freunde das erfahren. Was machst du nur, wenn du im Urlaub nicht online kommst?

Der Klugscheißer
"Markus Heusteig - Ich glaube die Diskrepanz zwischen virtuellem Profil und real erlebter Person liegt am divergierendem Grad der Abstraktion ...

Du kennst alle Fremdwörter führst sie gerne Gassi. Jeder soll sehen, dass du nicht nur intelligent, sondern intellekuell bist. Mit Facebook setzt du dich natürlich auf einer höheren Ebene auseinander, suchst den Diskurs und bist enttäuscht, wie wenig reflektiert die anderen dieses Medium nutzen. Deine Kommentare sind immer länger als ins Fenster passt.

Der Nörgler
"Horst Häslacher - Habt ihr eigentlich nichts besser zu tun, als die Länge eurer Kackwurst du posten?"

Du regst dich höllisch auf, mit was die Leute hier ihre Zeit verschwenden und mit was für Banalitäten sie dabei alle anderen belästigen. Und überhaupt: Wer sich hier alles so Freund nennt! Du bist doch nicht mit jedem befreundet, der dich hier anschreibt! Du lehntst ja fast alle Anfragen ab. Du hast es nicht nötig, deine Freunde online zu sehen, du triffst sie natürlich immer offline. Wenn du grad mal Zeit hast. Dann redest du mit ihnen über's Wetter.

Der Inaktivist
"Maike verwendet Facebook jetzt auf Deutsch"

Leeres Profil und maximal drei Freunde. Du wurdest mal von einem dieser eingeladen, hast dich angemeldet und mittlerweile das Passwort vergessen. Oder das du überhaupt ein Profil hast.

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