Mittwoch, 9. Dezember 2009

In Facebook Veritas


Im Mai hab ich mich hier mit dem Thema Online-Profil auseinander gesetzt (Artikel) und bin zum Schluss gekommen, dass Onlineprofile eine weitere Ausdrucksform sind, die nicht "unrealistischer" als Ausdrucksformen in Fleisch und Blut wie zum Beispiel Kleidung sind. Nur der Grad der Abstraktion variiert natürlich. Zu eben diesem Thema habe ich mit einigen in Facebook diskutiert und bin oft auf die Meinung gestoßen, die meisten verstecken sich hinter Profilen, die nur wenig mit ihnen selbst zu tun haben. Das wird als unehrlich empfunden. Ist es aber nicht.
These: Virtuell sind die meisten ehrlicher als in Fleisch und Blut.
Von Angesicht zu Angesicht ist ein großer Teil unserer Kommunikation unterbewusst. Gesten, Sprache, Geruch lassen sich nicht sonderlich gut kontrollieren. Virtuell haben wir die volle Kontrolle, da alle Äußerungen durch einen engen, digitalen, sehr rationalen Kanal gepresst werden. Niemand sieht, ob wir entspannt oder nervös meine Statusmeldung in meine Tastatur hämmer. Das gibt uns das trügerische Gefühl der totalen Kontrolle über unser Außenbild. Außerdem schaut das Internet nicht zurück - das Feedback kommt, wenn überhaupt, indirekt. Wir fühlen uns sicher. Wir posten, was uns gerade so durchs Hirn furzt oder was wir schon immer mal sagen wollten. Wieviel von dem, was wir da sagen, würden wir außerhalb des virtuellen Raum von uns geben? Hier kommt die Diskrepanz zwischen virtuell und materiell, die viele anprangern, ins Spiel. Wir erfahren virtuell plötzlich Dinge über andere und entdecken Wesenszüge bei ihnen, die wir auf der Straße nie erfahren hätten. Dort hätten sie sich nicht getraut, ihr Gesicht zu zeigen.
Meine oben postulierte These kann man natürlich so nicht stehen lassen, aber es ist ein Denkansatz. Bitte beobachtet mal selbst, wie ihr den "Wahrheitsgehalt" an beiden Enden der Diskrepanz zwischen on- und offline beurteilt. Wahrscheinlich vergleiche ich hier sogar Äpfel mit Birnen. Ich selbst glaube weiterhin meiner alten These, dass virtuelle Repräsentation und physisches Erscheinen zwei äquivalente Facetten der Selbstdarstellung sind, denen man keine unterschiedlichen Wahrheitsgehalte zuweisen kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen