Donnerstag, 4. September 2008

Doppelt hält besser

Die Bütique ist eröffnet, das Fest überstanden. Ich ziehe mich um und reise zurück nach Shibuya, dem El Dorado der japanischen Mode, des Neonlichts und der ideologieneutralen Jugendbewegung. Egal ob Punk, Lolita, Gothik oder Pradalette, hier sind alle gleich. Nur die Kleidung ist unterschiedlich. Im Westen muss man sich zur Kleidung gleich ein Paket an Attitüde, Meinung, Musikgeschmack und Ideologie mitkaufen, sonst ist man nicht authentisch. Konsistenz ist wichtig. Wer für tibetanische Freiheit ist, muss schließlich auch gegen Fleischkonsum, für Ausländer und gegen Atomkraft sein. Und immer gegen Unterdrückung, für Gerechtigkeit, gegen Imperialismus, für legales Marihuana. Unlängst stand ich an einem "Freiheit für Tibet"-Stand bei einem Open Air Festival an. Das fast alle tibetanischen Speisen mit Fleisch versehen waren hat das Weltbild der Freiheit-für-Tibet-Freunde in der Schlange vor mir überstrapaziert, sie mussten zum daneben gelegenen Falafelstand wechseln. Vielleicht waren das ja Palästinenser und somit potenzielle Antisemiten? Ich ahnte schon den nächsten moralischen Konflikt und bestellte eine leckere fleischgefüllte Teigtasche beim freundlichen Tibeter, für dessen Heimat ich ja auch durchaus die Freiheit herbei sehne. Moral ist gut, doppelt hält sie besser. Manchmal frag ich mich, ob man als Veganer für Atomkraft sein darf? Oder gegen Ausländer aber für Umweltschutz? Wer denkt sich eigentlich die schönen Weltbildpakete aus und wo kann man sie kaufen? Vielleicht sollte ich was Neues erfinden. Und die passende Mode gleich dazu. 

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